Essen. Apache 207, der Duett-Partner von Udo Lindenberg, hat ein neues Album draußen: „Gartenstadt“ – eine unterhaltsame Platte, ein echtes Sommeralbum.
Apache 207, als Volkan Yaman in Ludwigshafen großgeworden, ist zurzeit Deutschlands gefragtester Musiker. Und – trotz fünfzehn neuer Songs – noch immer einer der geheimnisvollsten.
Wie sein Kumpel und „Komet“-Duett-Partner Udo Lindenberg sieht man auch den 25 Jahre alten Lulatsch, der nun sein drittes Album „Gartenstadt“ veröffentlicht, fast nie ohne Sonnenbrille. Der Mann liebt seine Heimat. Sehr. Auf der linken Wade prangt ein Tattoo des Stadtwappens seiner Geburtsstadt Mannheim, darüber steht geschrieben: „Born in“, also „geboren in“. Rechts trägt Apache 207 das Wappen von Ludwigshafen, jenem Ort also, in dem er als Volkan Yaman aufgewachsen ist, in dem er lebt und in dem er auch eines hoffentlich fernen Tages zu sterben beabsichtigt, „Died in“, („gestorben in“) ist jedenfalls die entsprechende Beinbeschriftung.
Apache 207 mag Feste wie den „Wurstmarkt“ in Bad Dürkheim
„Hier ist es halt einfach geil!“, antwortete der Rapper im vergangenen Jahr in einem seiner ersten (und bis dato auch letzten) Interviews überhaupt in einer Mannheimer Tageszeitung auf die Frage, was er an der Region so liebe. Einem möglichen Umzug nach Berlin erteilte er einen Atemzug später gleich eine Absage. Feste wie den „Wurstmarkt“ in Bad Dürkheim würde er einfach zu sehr vermissen, selbst wenn er sich momentan wegen seiner erheblichen Prominenz dort nicht mehr unbehelligt blicken lassen könne. Aber an seine Stammtankstelle gehen und sich dort mit Kumpels eine Käsebrezel holen, das sei immer noch drin.
Dafür, dass der am 23. Oktober 1997 geborene Apache 207 definitiv einer der erfolgreichsten und angesagtesten Künstler des deutschsprachigen Raumes ist, weiß man noch immer gar nicht so furchtbar viel über ihn. Vor vier Jahren war er plötzlich da, mit seinem sehr lässigen, auch sehr selbstironischen Pop-Rap-Song „Roller“, dessen Text sich erfrischend lustig macht über die ganzen Gucci tragenden und Koks schniefenden Kollegen. Anstatt mit einer Statuskarre wie einem Mercedes AMG komme er, der augenzwinkernde Apache, lieber mit der Vespa vorgefahren.
Apache 207: Mit „Roller“ stürmte er die deutschen Single-Charts
„Roller“, aktuell immer noch unter den Top 40, ist der Rekordsong, der am längsten in den deutschen Singlecharts steht. Und dass Apache 207 – mit Unterbrechungen – seit drei, vier Monaten mit „Komet“ immer mal wieder die Charts anführt, haben auch Menschen mitbekommen, die im Deutschrap ansonsten nicht so unterwegs sind.
Der Grund: „Komet“, erst Ballade, dann Uptempo-Pop mit leichtem Drall zum Schlager, ist ein Duett mit Chefikone Udo Lindenberg (77).
„Komet“ bildet nun den krönenden Abschluss des fünfzehn Songs langen „Gartenstadt“-Albums, und es ist die einzige Nummer, auf der ein Gast dabei ist. Den Rest erledigt Apache im Alleingang. Es ist eine unterhaltsame Platte, ein echtes Sommeralbum. Wäre „Gartenstadt“ ein Grauburgunder, könnte man ihm getrost einen geringen Trinkwiderstand attestieren. Alles flutscht, alles ist irgendwie von so einer soften Flauschigkeit, die einen eher zum Aperol als zum Wodka-Energy (selbst wenn Apache selbigen erwähnt, im Lied „Vorstadt“) greifen lässt.
„Gartenstadt“ von Apache 207 wiegt die Hörenden in Wohlklang
Die Beats haben keine Kanten, die Melodien wiegen die Hörenden in Wohlklang. Alles ist gut, und nichts tut weh. Und, keine Überraschung, bei all den süffigen Sommerschorle-Assoziationen, die das Album provoziert, kommen auch die Melodien nicht zu kurz. Im Stück „Ein Letztes Mal“ zum Beispiel zitiert er den alten Italo-Disco-Hit „Freed From Desire“ aus dem Jahr 1996. Das sehr temporeiche „Neunzig“ („Die Nacht hört nicht auf, so lange die Discokugel sich dreht“, stellt Apache im Text klar) macht zumindest für Ohren, die schon ein paar Jahrzehnte auf dem Buckel haben, unüberhörbar deutlich, wie sehr der Musiker den guten, alten Eurodance der neunziger Jahre von Projekten wie Snap! oder Culture Beat liebt.
Und „Breaking Your Heart“ erinnert mit seinem auf Englisch gesungenen Refrain mehr als nur ein bisschen an die angloamerikanischen Kollegen Post Malone und The Weeknd, die es ebenfalls lieben, ihre halbmelancholischen Lieder mit Essenzen und Einflüssen aus 80er- und 90er-Jahre-Produktionen zu verzieren, an erster Stelle ist hier der großflächige Einsatz von Keyboards und Synthesizern zu nennen.
„Gartenstadt“ von Apache 207: sehr freundlich, lieblich, nicht nervig
Die Geschmeidigkeit der Songs, auch die wohltuende Unaufgeregtheit in Apaches Gesang, machen „Gartenstadt“ zu einem wirklich sehr freundlichen, lieblichen, nicht nervigen Werk, dass definitiv einer Pop- und R&B-Hochglanzproduktion nähersteht als einem ruppigen Deutschrap-Album.
In den Songtexten allerdings erfährt man jetzt nicht so wahnsinnig viel Neues über ihn. Klar ist: Für Volkan Yaman, aufgewachsen mit wenig Geld und einer alleinerziehenden türkischen Mutter in ebenjenem sozialprekären Viertel Ludwigshafen-Gartenstadt, nach dem er das neue Album benannt hat, gab es nie den großen, strategischen Karriereplan wie etwa bei seinem Stuttgarter Kollegen Cro.
Apache 207 rappt auch über die Hoffnungslosigkeit im Plattenbau
An Reichtum und Ruhm scheint er sich noch immer gewöhnen zu müssen. Die Beziehung zur „Gartenstadt“ selbst scheint mehr von Liebe als von Hassliebe geprägt, auch wenn Apache in „Was weißt du schon“ Zeilen über die Hoffnungslosigkeit im Plattenbau rappt wie „Manchmal fressen sich hier Ratten durch Wände / Sie wurden hier geboren, doch sie wollen hier nicht enden“.
Der Hüne mit den langen dunklen Haaren, der von seinem Bruder Hakan gemanagt wird, war und ist, nach allem, was man so hört, ein freundlicher, seine Familie liebender, bescheidener und selbstreflektierter Junge, der keinen Ärger machte. Sondern sein Abitur, 2017 am Theodor-Heuss-Gymnasium in Ludwigshafen. Ein Bildungsweg, der für Kids aus der Gartenstadt alles andere als üblich sei, wie er später sagte. Respektiert worden von den anderen sei er trotzdem, ein „Opfer“ sei er gewiss nicht gewesen. Nach dem Abitur studierte Yaman sogar zwei Semester Rechtswissenschaften an der Uni in Mainz, aber dann kam die Karriere der akademischen Bildung in die Quere.
„Gartenstadt“ ohne sexistische Ausrutscher
2018 bringt er seine erste Single „Kleine Hure“ raus, von derartigen sexistischen Ausrutschern hält er sich auf „Gartenstadt“ fern. heute ist Apache 207 („Apache“ nennt ihn seine Mutter, seit er klein ist, die Bedeutung des „207“ verrät er nicht) der kommerziell führende Vertreter einer ganz neuen Generation von Deutschrappern.
Ausgestattet mit einer natürlichen Zwei-Meter-Mann-Autorität macht er nicht einen auf konsumgeilen Macker, aggressiv und frauenfeindlich sind seine Songs schon mal gar nicht. Sondern er thematisiert gern auch mal Selbstzweifel, so wie im ungewohnt kargen, traurigen, ernsten „Schimmel in der Villa“, wo er sinngemäß sagt: Du kannst den Jungen zwar aus der Gartenstadt rausholen, die Gartenstadt aber niemals aus dem Jungen.
Viele der neuen Lieder drehen sich um Begegnungen, Beziehungen, Affären, die flüchtig und kurzlebig sind, nur ein paar Stunden, eine Nacht oder eine Fahrt mit offenem Verdeck („Coco Chanel“) lang andauern.
Apache 207 prahlt nicht mit Erlebnissen und Eroberungen
Körperliche Nähe, Partynächte, Hedonismus und Dekadenz finden statt, Apache prahlt aber nicht mit seinen Erlebnissen und Eroberungen, sondern lässt bei so ziemlich bei allem, was er auf dieser Platte erlebt und erzählt, eine Familienpackung Melancholie austeilen.
Dass sich der Musiker nach Liebe sehnt, wird vor allem im schnellen und doch nachdenklichen „Wenn das so bleibt“ deutlich. Ob er die Frau seines Lebens gefunden hat? Vielleicht gar schon Vater ist, wie einige glauben zu wissen? Unklar. Apache 207 hält er sein Privatleben zu einem sehr guten Stück privat. So sehr das eben geht, wenn man sich ein Jahr lang für die Dokumentation „Apache bleibt gleich“ begleiten lässt, die seit letztem September auf Amazon Prime Video zu sehen ist.
Apache 207: „Die Brille schafft eine gewisse Distanz.“
Der Künstler bleibt Kunstfigur, und deshalb setzt er auch seine Sonnenbrille so gut wie nie in der Öffentlichkeit ab, in der Doku ist er sogar mit Balken vor den Augen zu sehen. „Wenn ich mich verkleide und die Brille weglassen, erkennt man mich nicht so leicht“, sagt er. „Die Brille schafft eine gewisse Distanz“.
Auch über dieses Thema dürfte er sich bestimmt schon ausführlich mit seinem „Komet“-Kumpel Lindenberg ausgetauscht haben.