Berlin. Rap ist aus den Charts nicht mehr wegzudenken. Was lieben junge Leute an diesem Genre, das früher vor allem ein Nischenpublikum begeistert hat?

Rap kommt gut an, weltweit: „Die Beliebtheit von Rap ist ein globales Phänomen“, sagt Hans Schmucker von GfK Entertainment, die jede Woche die offiziellen Deutschen Charts ermitteln. „Wir sehen das immer wieder an den Charts, die wir auch unter anderem in Ländern wie Italien, Österreich oder der Schweiz ermitteln.“

Rapmusik habe vor allem in den letzten fünf bis zehn Jahren in Sachen Beliebtheit einen großen Sprung gemacht. Das stehe auch in Verbindung mit Musikstreaming-Plattformen wie Spotify, sagt Schmucker. „Gerade die jungen Musikfans streamen prozentual mehr als die älteren, und da ist Hip-Hop enorm erfolgreich.“

Meistgehörter Künstler auf Spotify ist ein Rapper

Über die Playlisten der Streaming-Plattformen können Nutzer auf einfache Art und Weise immer wieder neue Songs und Künstler entdecken. Bei Spotify sind unter den Playlisten in Deutschland mit den meisten Followern sogar gleich zwei Rap-Playlisten: „Modus Mio“ (1,8 Millionen) und „Deutschrap Brandneu“ (1,5 Millionen), sagt Conny Zhang, die Leiterin des Bereichs Musik bei Spotify. Auch der meistgehörte Künstler auf Spotify in Deutschland ist 2023 ein Rapper: Luciano. Der 29-Jährige hat 6,9 Millionen monatliche Hörer.

Doch warum ist die Rapmusik vor allem bei jungen Menschen so beliebt? „Ich denke, die Authentizität spielt eine große Rolle, besonders für Jugendliche, die nach Orientierung suchen – und dann kommt da jemand, der einfach mal Klartext spricht“, sagt Schmucker.

Pop ohne politische Haltung

Das sei auch der Unterschied zu anderen Genres, betont Musikjournalist Falk Schacht. „Rapper wollen möglichst, dass du ganz genau weißt, was sie denken, mit wenig Interpretationsspielraum.“ Als zum Beispiel Herbert Grönemeyer „Kinder an die Macht“ gesungen habe, sei das eine Kritik an den herrschenden Verhältnissen und der Regierung von Helmut Kohl in den 1980ern gewesen, sagt Schacht. Diese politische Kritik habe Pop aber total aufgegeben. „Das Aufregende, also die Kritik, ob direkt oder indirekt, das bietet eben Rapmusik.“

Das ließe sich weiterdenken, denn Hip-Hop biete den Menschen eine Art „Action-Erlebniswelt“. „Man kann das mit Gladiatorenkämpfen vergleichen“, so Schacht. Viele Menschen seien sehr interessiert an der Rap-Welt, obwohl sie die Musik eigentlich nicht hörten.

„Geht man musikhistorisch zurück, dann hatten diese Funktionen früher Rocker“, sagt Schacht. Man habe sich also gefragt: „Wer sind die? Warum nehmen die Heroin? Wieso schmeißen die den Fernseher aus dem Hotelzimmer?“ Heute sei Rock doch harmlos „wie ,Pur’“, sagt Schacht. Grund dafür sei, dass die Kids, die früher Rock oder Punk hörten, mittlerweile die Eltern seien. „Und wer liefert das heute noch? – die Rapper.“ Alle anderen kulturellen und musikalischen Genres seien brav geworden.

Vermischte Kulturbewegungen

„Sex, Drugs und Rock’n’Roll“ sind heute also „Sex, Drugs und Hip-Hop“. Doch was heißt das für die Zukunft? „Ich glaube, zwischen diesen großen Kulturbewegungen wird es immer wieder Vermischungen geben“, sagt Schacht. „Die kulturellen Techniken, mit denen Hip-Hop angefangen hat, werden natürlich auch in anderen Bereichen genutzt und umgesetzt – ist das dann was Eigenes oder ist das eine Weiterentwicklung von Hip-Hop?“

Der berühmte Satz: „Ich finde Rap scheiße, aber diese Form der Rapmusik finde ich ganz gut“, sei da ganz typisch und noch ein Grund, warum sich das Genre so großer Beliebtheit erfreut: „Hip-Hop kann am Ende alles sein – wie ein Chamäleon“, sagt Schacht. (dpa)

Info – Erfolge in den Charts

Deutschlands längstplatzierter Charthit ist von einem Rapper: Apache 207. Sein Song „Roller“ (2019) hat mit 162 Wochen den alle Jahre wieder platzierten Weihnachtshit „Last Christmas“ von Wham! aus dem Jahr 1984 überholt. Zudem besetzen Apache 207 und Udo Lindenberg mit ihrem Song „Komet“ aktuell Platz eins der deutschen Charts.