Neuss. Wolfgang Hohlbein ist der Nachtarbeiter unter den Bestsellerautoren. Im Interview spricht er über die Amazon-Verfilmung seines Buchs „Der Greif“.

Vor etlichen Jahren sollte Wolfgang Hohlbeins Fantasy-Roman „Der Greif“ mal ein Musical werden, es gab sogar schon Bühnenbilder und eine Schauspiel-Crew – doch dann verunglückte der Produzent und mit ihm starb das Projekt. Doch nun hat Amazon Prime den Stoff als sechsteilige Serie verfilmt. Jens Dirksen sprach mit dem Bestseller-Autor, der weit mehr als 40 Millionen Exemplare seiner weit über 200 Bücher verkauft hat.

Herr Hohlbein, hat es Sie überrascht, dass Amazon Prime Ihren jahrzehntealten „Greifen“ verfilmen wollte?

Wolfgang Hohlbein: Nein, ich habe schon immer gedacht: Wenn etwas von mir verfilmt werden soll, dann gehört das in die engere Wahl. Es ist eins meiner Bücher, die am besten ankommen – fragen Sie mich nicht warum, sonst könnte ich ja Bestseller auf Knopfdruck produzieren.

Das können nicht einmal Sie?

Nee, Gott sei Dank! Nicht im Hinblick auf meinen Kontostand, aber das wäre ja schlimm, wenn man das könnte.

In der Verfilmung ist Mark, der Held des Buchs, nicht 12 oder 13, sondern eher 15 oder 16. Stört es Sie, dass man ihn älter gemacht hat? Und dass es jetzt ein Trio inklusive Mädchen gibt?

Nein, es ist ja 35 Jahre her, dass ich das Buch geschrieben habe, damals dachte ich, es sei genau das richtige Alter für schwertschwingende Jugendliche auf Einhörnern, heute würde ich es vielleicht auch anders machen. Dass eine junge Frau dazugekommen ist, hat der Geschichte noch andere Aspekte und ein bisschen mehr Pep verliehen.

Wie zufrieden sind Sie überhaupt mit der Verfilmung?

Ich hätte ein paar Kleinigkeiten anders gemacht, aber es gibt nichts, bei dem ich Einspruch erheben würde. Manches ist auch besser geworden, als ich gedacht habe. Und wir reden ja von Unterhaltungsliteratur, da kann man sich ruhig mal einer veränderten Gesellschaft, einer veränderten Sichtweise anpassen.

Sie haben noch drei neue „Greif“-Geschichten geschrieben, sind die durch die erneute Beschäftigung mit dem Stoff entstanden oder hatten Sie noch eine offene Handwerker-Rechnung?

Haha, im Gegenteil, ich warte seit einem Jahr auf meine Photovoltaikanlage! Nein, die Idee war nicht von mir, sondern von Amazon, die wollten gern noch ein Zusatzprodukt – und es ist ja auch eine sehr preiswerte Geschichte, die drei Bände kosten fünf Euro oder so. . Es geht da um Hintergrundinformationen, es kam schon öfter die Frage auf, was denn hinter diesem „Schwarzen Turm“ steckt, den Marks Großvater entdeckt hat.

Wird man als Autor eigentlich reich durch solche Verfilmungen?

Im Verhältnis zu früher ist das Honorar eher klein, aber es ist schon eine sechsstellige Summe. Die gibt es allerdings nur einmal. Mir ging es aber um den Versuch, meine Geschichten in andere Länder zu bringen. In den USA ist vor zwanzig Jahren mein „Märchenmond“ erschienen und hatte viele Amazon-Rezensionen mit fünf Sternchen – aber leider lag die Zahl der verkauften Bücher auch nicht viel höher…

Als?

Na, fünf!

Nein!

Doch! Den großen Erfolg, den ich unbestreitbar habe, habe ich fast ausschließlich im deutschsprachigen Raum. Und in China! Da stand ich mal auf Platz drei der deutschsprachigen Autoren, ähnlich wie Michael Ende. Die Chinesen haben ohnehin ein Faible für deutsche Fantasy. In Frankreich, Spanien, Italien bin ich irgend so ein deutscher Autor, der ganz lesbare Bücher schreibt.

Sie haben weit über 200 Bücher geschrieben – können Sie sich eigentlich noch an jedes erinnern?

Ja. Spätestens nach ein paar Seiten. Sie haben doch sicher über 200 Bücher gelesen – und an die können Sie sich ja wahrscheinlich auch noch erinnern. Und wenn ich eines schreibe, beschäftige ich mich ein halbes Jahr damit!

Okay, dann frage ich Sie trotzdem nicht nach ihrem Liebling unter Ihren Büchern, ich habe das mal Isabel Allende gefragt, da sagte sie: „Na hören Sie mal, Sie würden doch auch nicht sagen, welches ihr liebstes Kind ist!“

Ich kann es Ihnen aber trotzdem sagen: Hagen von Tronje! Das ist auch gerade verfilmt worden, soll nächstes Frühjahr ins Kino kommen und dann gibt es ein Jahr später noch einen Sechsteiler im Fernsehen.

Hatten Sie eigentlich mal eine Schreibblockade? Oder Sorge, dass Ihnen die Stoffe ausgehen?

Ich glaube, das hatte jeder mal. Ich habe aber den Vorteil, dass ich viele verschiedene Sachen mache, ich schreibe ja auch Krimis und Thriller, Science-Fiction, Horrorgeschichten. Wenn ich mich einem anderen Genre zuwende und danach wieder an die Geschichte mit der Blockade, dann habe ich das Gefühl, das ist wieder etwas Neues und es geht weiter. Es liegt vielleicht auch daran, dass ich vor 40 Jahren mein Hobby zum Beruf gemacht habe und bis heute das Gefühl habe, ich lebe in einem gut bezahlten Urlaub.

Sie sind gelernter Kaufmann.

Ja, und ich war einer der schlechtesten der Welt. Nicht, weil ich das nicht gekonnt hätte. Aber morgens um acht am Schreibtisch zu sitzen und schon zu wissen, was ich um 14:12 Uhr mache, das war die Hölle.

Das Schreiben ist nie ein Kampf?

Es gibt so Tage. Aber dann höre ich auf. Ich hab das Gefühl, man merkt so etwas dann auch den Texten an.

Und Sie schreiben tatsächlich immer noch nachts?

Ja, hauptsächlich.

Haben Sie dann einen besseren Flow oder schlafen Sie gern tagsüber?

Von allem etwas. Es war aus der Not geboren, als unsere Wohnung noch eng war und wir schon zwei kleine Kinder hatten. Da konnte ich besser nachts schreiben. Und hab’ festgestellt, dass das meinem Lebensrhythmus sehr entgegenkommt. Der innere Schweinehund, der einen zu einem Ausflug in Eifel oder einem Spaziergang überreden will, ist nachts um drei auch nicht so groß. Und es rufen auch nur sehr wenig Leute an.

Sehr wenige?

Ja, es gibt ein, zwei Aspiranten, die dürfen das.

Herr Hohlbein, Sie werden 70 im August, ist das für Sie etwas Besonderes?

Nö. Dieses Gespräch führe ich ja nun alle zehn Jahre. Mit 40, das war schlimm, da dachte ich, jetzt geht das Alter los. Dann war ich 41 – und es hatte sich doch nicht viel geändert. Ich lasse alles ein bisschen ruhiger angehen. Aber nicht, weil ich es nicht anders könnte, sondern weil ich es möchte

Sie reisen täglich in fantastische Welten, sie experimentieren oft mit Genres und Medien – aber was Ihren Wohnsitz angeht, sind sie hauptsächlich von Krefeld nach Neuss gezogen. Brauchen Sie die Bodenständigkeit? Den Niederrhein?

Och, wir sind auch viel gereist, ich vor allem zu Lesungen. Manchmal 60 Stück im Jahr. Und ich möchte immer zu Hause in meinem Bett schlafen, da bin ich froh, wenn ich mal ein paar Tage zu Hause sein kann. Und wir haben uns hier – „my home is my castle“ – so schön eingerichtet, wir fahren seit einigen Jahren kaum noch in Urlaub. Ich find’s hier am Niederrhein sehr schön. Viele, die das Rheinland nicht kennen, haben auch ein völlig falsches Bild davon, es gibt hier ja nicht nur Städte und Schornsteine, sondern unglaublich viel Grün! Und es gibt hier bei uns um die Ecke sogar eine Burg – Schloss Hülchrath nennt die sich, ist aber eine Burg. Die wurde im 11. Jahrhundert als Abwehr gegen die Wikinger errichtet. Das heißt: Der Rhein ist früher wahrscheinlich hier langgeflossen, wo ich gerade sitze. Ich bin typischer Flachländer, ich mag die Berge nicht so sehr, die verstellen einem ja nur den Blick auf die Landschaft.

Zur Person

Wolfgang Hohlbein, in Weimar 1953 geboren, aufgewachsen in Krefeld, lebt seit Jahrzehnten mit seiner Frau und Co-Autorin Heike in Neuss. Sie haben sechs Kinder. Der leidenschaftliche Motorrad-Fahrer und -Schrauber steigt jetzt auf vier Räder um. Er hat als Autor, der auch an Jerry Cotton mitschrieb, bislang mehr Pseudonyme benutzt, als manche Kollegen Bücher geschrieben haben: 13.