Bottrop. Das Bottroper Josef-Albers-Museum Quadrat zeigt seine über vier Jahrzehnte entstandene Sammlung konkreter, konstruktiver und einfach guter Kunst.

Als vor 40 Jahren der damalige US-Vizepräsident George Bush und Bundeskanzler Helmut Kohl das Josef-Albers-Museum in Bottrop eröffneten, war das eine Erweiterung des seit 1976 bestehenden „Museumszentrums Quadrat“. Die Künstler-Witwe Anni Albers hatte Bottrop einen millionenschweren Schatz aus dem Nachlass des Künstlers überlassen – mit der Auflage, ein Museum drumherum zu bauen. Heute verfügt es über die mit 300 Werken größte Albers-Museumssammlung weltweit.

Von Anfang an wurde in Bottrop aber auch aktuelle Kunst gesammelt, die mehr oder minder direkt mit dem Werk des großen Malers und Theoretikers Albers in Zusammenhang steht. Ein gutes Drittel dieser Sammlung, die in fast fünf Jahrzehnten zusammenkam, sorgt nun mit rund 100 Werken bis Anfang September für Farbfeste und überraschende Blickwinkel, für ungewohnte optische Erfahrungen und auch ein paar Begegnungen mit dem Ruhrgebiet im jüngsten Erweiterungsbau des Museums. Keine Starparade großer Namen, aber fast durchweg Arbeiten hoher und höchster Qualität.

Museum Quadrat: Ausstellungsraum mit dem Motto „Bewegte Farbe“

Wer von Trübsinn geplagt ist oder sonstwie Aufmunterung sucht, gehe gleich durch in den sechsten von acht Sälen, der unter dem Motto „Bewegte Farbe“ steht: Bridget Ri­leys diagonale Rauten als „Strom der Veränderung“ lässt die Farben fließen, trotz aller Ecken und Kanten. Bei Jerry Zeniuk schräg gegenüber wiederum scheinen sie ins Hüpfen zu geraten, treten aus dem Hintergrund aus schmutzigem Weiß hervor. Ölmalerei beides, während die „Schale 24.3.2012“ all die Ruhe, all den meditativen Welt-Einklang ausstrahlt, mit dem Kazuo Katase da die Pastellkreide mit Fingern und Handballen aufs Büttenpapier gehaucht hat.

Der Blick durchs großzügige Fenster hinaus zum Skulpturengarten vorm Museum fällt dann auch noch auf die aus weißen, roten, blauen und gelben Rechtecken bestehende „Lightskulptur“ von Walter Drexel. Überhaupt: da draußen steht ja, ständig sichtbar, auch ein Teil der Sammlung, mit Donald Judds majestätisch-schlichtem „Bottrop Piece“ oder den tonnenschwer schwebenden Chrom-Nickel-Stahl-Quadern von Max Bill.

Die Ebel-Fotos von Michael Wolf in Bottrop

Das alles geht wie mit leichter Hand Dialoge miteinander ein, die neue Museums-Chefin Linda Walther und Kuratorin Ulrike Growe haben die jeweils zwei Jahrzehnte währende Sammel-Arbeit ihrer beiden Vorgänger Ulrich Schumacher (1982-2003) und Heinz Liesbrock (2003-2022) mit leichter Hand und kluger Auswahl ins Gespräch gebracht. Hier die Farbmalerei, dort die Werke, deren Zauber allein aus Weiß und Schatten rührt (Jan J. Schoonhoven). Hier ein recht poppiges Op-Art-Werk von Victor Vasarely, dort ein frühes Gemälde von ihm, das die Auseinandersetzung mit Joseph Albers weit weniger an der Oberfläche führt.

Die Ruhrgebiets-Seite der Sammlung offenbart sich einmal fast abstrakt; aber was Miles Coolidge da fünf Jahre vor der Schließung in einem Flöz von Prosper Haniel unter Tage aufgenommen hat, sind tatsächlich – Fotos. Eine halbe Ewigkeit langzeitbelichtet, da unten darfst du ja nicht blitzen. Und dann ausgedruckt mit kohlehaltiger Druckerschwärze und Tinte, drei Monumente, in doppeltem Sinne Zeugen der Vergangenheit.

Klassiker der Revier-Fotografie im Museum Quadrat

Sehr konkret dagegen: Das unscharfe, verwitterte Bergmannsgesicht, das rechts den Rahmen abgibt, während sich links unterm milchig grauem Himmel Halde, Strommast und geduckte Kolonie-Häuser abzeichnen – und der sehnsuchtsvolle Blick in die Ferne klammert sich an die körnige Silhouette einer Handvoll Tauben. Die titellose Serie, die Michael Wolf Mitte der 70er-Jahre noch im durch und durch proletarischen Bottrop-Ebel aufnahm, gehört zum Besten der klassischen Revier-Fotografie. Aber auch die Kamera-Kunst von Laurenz Berges, Simone Nieweg und Bernhard Fuchs lässt über den eher indirekten Zusammenhang mit Josef Albers hinwegsehen.

Dessen Werke, die ohne den neuen Anbau meist im Depot blieben, sind nun sehr würdig und im perfekten Rahmen des „Altbaus“ präsentiert. „Und wir werden“, versichert Museums-Chefin Linda Walther, „die Sammlung weiter an Josef Albers entlang entwickeln.“

Zur Ausstellung

Quadrat Bottrop: Die Sammlung. Anni-Albers-Platz 1, 46236 Bottrop. Bis 3. September. Geöffnet: Di-Sa 11-17 Uhr, So 10-17 Uhr. Eintritt: 6 €, erm. 3 €. Führungen (14-15 Uhr): 7., 14., 28. Mai; 4., 11., 18. Juni; 2., 16., 23., 30. Juli; 6., 13., 27. August. Programm: www.bottrop.de

In der Neuen Galerie des Museums sind zwei Bildschirm-Arbeiten von Rafael Rozendaal zu sehen, mit denen sich der gerade im Essener Folkwang groß präsentierte Künstler vor Josef Albers verbeugt.