Krefeld. Die Kunstmuseen Krefeld sind „Museum des Jahres“ 2022, haben die deutschen Kunstkritiker beschlossen. Museums-Chefin Katia Baudin im Interview.

Der deutsche Kunstkritiker-Verband Aica hat in diesem Jahr die Kunstmuseen Krefeld – also das Kaiser-Wilhelm-Museum sowie Haus Lange und Haus Esters – zum Museum des Jahres ernannt. die Häuser setzten sich bis heute für die „enge Verbindung von Kunst, Design und Architektur“ ein, als „bedeutender Pionier in der aktuell wieder diskutierten spartenübergreifenden ,Mehrstimmigkeit’“. Schon in der Nachkriegszeit hätten die Häuser mit sehr frühen, bedeutenden Ausstellungen zu Yves Klein, Joseph Beuys oder Gerhard Richter „internationale Museumsgeschichte“ geschrieben. Beuys habe für das Museum legendäre Räume geschaffen, die noch heute im Kaiser-Wilhelm-Museum zu besichtigen seien; dort sei mit der Ausstellung zu Beuys und Marcel Duchamp auch der „wohl wichtigste Ausstellungs-Beitrag zum Beuys-Gedenkjahr 2021“ zu sehen gewesen. Die seit 2016 von Katia Baudin geleiteten Museen hätten den Gedanken weitergetragen, „über Kunst und Design die Vielfalt der Erfahrungen im Alltag zu verdeutlichen“.

Im Gespräch mit unserer Zeitung über diese Auszeichnung zeigte sich Katia Baudin, die zur Zeit in New York weilt, überglücklich.

Frau Baudin, dass das „Museum des Jahres“ in Krefeld steht, hat auch sie überrascht, oder?

Katia Baudin: Oh, ja! Wir sind im siebten Himmel, mein Team und ich. Heute wird gefeiert!

Was sehen Sie von der Auszeichnung belohnt?

Als ich 2016 hierhergekommen bin, haben wir uns gefragt: Was ist unsere DNA? Was ist das Besondere an den Krefelder Museen, an ihrer Geschichte und der Stadt? Unser Programm ist eine Antwort auf diese Frage.

Besonders ist gewiss die Sammlung des Hauses, das vom Beginn des 20. Jahrhunderts an konsequent auf Moderne und Avantgarde setzte.

Ja, das war unser Ausgangspunkt. In den Anfangsjahren hat etwa der Werkbund-Künstler Johan Thorn

Mies-van-der-Rohe-Bauten: Haus Lange (li.) und Haus Esters.
Mies-van-der-Rohe-Bauten: Haus Lange (li.) und Haus Esters. © dpa Picture-Alliance / Horst Ossinger

Prikker ein Wandgemälde im Museum geschaffen, das nach 40 Jahren hinter einer Verschalung freigelegt wurde. Ich hatte das Glück zu starten, nachdem das Museum von meinem Vorgänger saniert worden war. Das Kaiser-Wilhelm-Museum ist unser Flaggschiff, Haus Lange und Haus Esters mit den fließenden Räumen von Mies van der Rohe sind unsere experimentierfreudigen Satelliten in der Stadt mit vielen Inspirationsquellen.

Sie arbeiten viel mit dem Bestand der Häuser, das freut den Stadtkämmerer, oder?

Dass wir hier besonders viel mit der eigenen Sammlung arbeiten, hat nicht einmal etwas mit Geldknappheit zu tun. Diese Sammlung bietet so viel Stoff, dass man damit auch immer wieder an die zeitgenössische Kunst von heute anknüpfen kann. Seit 2019 arbeiten wir mit dem Programm „Sammlung in Bewegung“, da werden Geschichten erzählt und überraschende Türen geöffnet wie bei einem Adventskalender, mit einem Design-Raum, einem Biedermeier-Raum, einem Impressionismus-Raum oder einem zeitgenössischen Raum.

Und ihre großen Sonderausstellungen jeweils im Herbst?

Na, auch die Beuys-Duchamp-Ausstellung oder unsere große Ausstellung 2022 „On Air“ mit Sound-Kunst der 50er- bis 70er-Jahre haben sichtbar gemacht, wie wir unsere Bestände mit der Gegenwart verweben und verflechten möchten. Da ist besonders deutlich zum Vorschein gekommen, woran wir seit sieben Jahren arbeiten.

Und warum Beuys?

Beuys hatte ein besonders enges Verhältnis zum Kaiser-Wilhelm-Museum seiner Geburtsstadt. Er hat das Museum als Labor, als Atelier genutzt. Das fragen wir uns eben auch immer wieder: Welche Rolle kann ein Museum für Künstler spielen? Wir wollen auch der Kunstszene hier Impulse geben, wir wollen ein Bindeglied sein zwischen Künstlern und Bürgern. Denen gehört das Museum schließlich, es ist ein von Bürgern gegründetes und finanziertes Museum.

Zu ihrer DNA gehört aber auch Karl Ernst Osthaus.

Es ist kein Zufall, dass Osthaus’ Sammlung zu einem „Museum für Kunst in Handel und Gewerbe“ in Krefeld gelandet ist, während die bildende Kunst nach Essen ging. Osthaus steht ja auch für Dialoge zwischen Kunst, Museum und Bürgern, zwischen angewandter und bildender Kunst. Ihm ging es im Werkbund-Gedanken darum, die Qualität der deutschen Produkte zu verbessern. Und viele der damaligen Fragen sind noch extrem aktuell.