Duisburg. „Shortcuts“ an der Rheinoper in Duisburg: Exquisite Tanz-Häppchen von Hans van Manen, Neshama Nashman, Bridget Breiner und Demis Volpi.

Ballett in Hülle und Fülle: Selbst zur Pause wird das Publikum tänzerisch aus dem Saal hinaus begleitet und darf auf den Korridoren der Oper Duisburg an den Bewegungsstudien von Virginia Segarra Vidal teilhaben. Den Rahmen des Tanzabends bilden zwei äußerst attraktiv gealterte Klassiker: Hans van Manens „Short Cut“, der zugleich den Titel des Gesamtpakets inspirierte, und William Forsythes „Artifact II“.

Unvermindert aktuell, wie van Manen die Flüchtigkeit menschlicher Beziehungen im Kern erfasst: Ein Tänzer, drei Tänzerinnen, die sich jeweils nach einem kurzen Intermezzo vom männlichen Protagonisten lösen, und ihn am Ende alleine zurücklassen. Jede Kurzbeziehung entwickelt dabei eine eigene

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„Shortcuts" an der Rheinoper mit Bill Forsythes „Artifact II“ in Duisburg mit Damián Torío und Charlotte Cragh. © Bernhard Weis

Körpersprache und eine eigene Emotionalität. Stets elegant, mitunter verspielt – es sind van Manens fein ziselierte Details und nicht zuletzt der erdenschwere Klang von Jacob ter Veldhuis’ Streichquartett, die diesem Stück eine herbe Nachdrücklichkeit verleihen. „Artifact II“ ist die Kurzform einer Choreografie, die Forsythe seinerzeit das Attribut „Antichrist des Balletts“ eintrug. Der mehrfach unvermittelt herunterfallende Vorhang überrascht heute niemanden mehr, umso mehr erstaunen Momente berückender Schönheit in den Pas des deux und die eigenwilligen Strukturen, die sich trotz der mutwillig an der exakten Geometrie vorbeichoreografierten Gruppenformationen ergeben.

Neshama Nashmans „Die kleine Frau“ ist eine kleine Sensation

Die Uraufführung „Die kleine Frau“ wiederum ist eine kleine Sensation: Neshama Nashman lässt die Tänzer zum simultan vorgetragen Text von Franz Kafkas gleichnamiger Erzählung agieren. Und damit verleiht sie dem Wort durch Bewegung nicht nur die dritte, sondern – gefühlt – eine vierte Dimension: So präzise und vielschichtig die Interaktion zwischen der titelgebenden Figur und dem getanzten Ich(-Erzähler), so faszinierend die Arbeit der Gruppe, die in grauen Anzügen als monolithischer Block die Öffentlichkeit verkörpert und doch der starren Formation zum Trotz eine fast surreale anmutende Agilität zeigt.

In eine völlig andere Stimmungswelt entführt die zweite Uraufführung des Abends: „North Country“ von Bridget Breiner. Banjo- und Gitarrenklänge (Breiner setzt hier auf bekannte Country-Songs) vermitteln Lebensfreude, Sehnsucht und Aufbruchsstimmung. Tänzer finden sich zu wechselnden Konstellationen, entwickeln immer wieder neue und überraschende Bewegungsmuster – unwillkürlich denkt man an junge Menschen auf der Suche nach ihrem Platz im Leben. Wie eingangs bei van Manen ist das Spielerische auch hier nicht frei von Seelenpein: Aufbruch heißt immer auch Abschied, zuletzt ein melancholischer Blick zurück – eine bittersüße kleine Preziose.

Ballett-Chef Demis Volpi steuerte das 2015 uraufgeführte Juwel „Ebony Concerto“ bei

Demis Volpi, der scheidende Direktor des Rheinopernballetts, steuerte auch selbst ein erst 2015 uraufgeführtes und immer noch funkelndes Juwel zum Abend bei: Einen Paartanz zu Strawinskys jazzigem „Ebony Concerto“. Die Legende weiß, dass die Musiker bei der Ersteinspielung der Komposition angesichts deren Komplexität den Tränen nahe waren. Nicht so Futaba Ishizaki und Miquel Martínez Pedro: Sie tanzen das funkensprühende Werk auf die Synkope exakt und transportieren dabei doch in jeder Sekunde dessen heitere Leichtigkeit. Eine Virtuosität, die beinahe den Atem raubt!

Insgesamt wurde hier ein reichhaltiges Büffet exquisiter Tanzhäppchen serviert, das unbedingt Appetit auf einen zweiten Gang macht. Das Duisburger Publikum geizte daher auch nicht mit Applaus und Jubelrufen.