Neu im Kino: ein Drama des Star-Regisseurs Hirokazu Kore-eda über das Thema Menschenhandel, ein Film aus Marokko und Horror mit „13 Exorcisms“.

„Broker – Familie gesucht“

Menschenhandel ist ein schändliches Geschäft. Die Leute, die das betreiben, müssen aber nicht zwangsläufig von schlechtem Charakter sein. Japans hochprämierter Starregisseur Hirokazu Kore-eda (u.a. Goldene Palme in Cannes 2018 für „Shoplifters“) geht der delikaten Frage in seiner eigenen, von tiefem Humanismus geprägten Sichtweise nach.

Die beiden Männer Sang-hyun (Song Kang-ho) und Dong-soo (Gang Dong-won) arbeiten in einem Waisenhaus und verkaufen Findelbabys an kinderlose Paare, wenn diese so diese sich als fähig und würdig erweisen sollten.

Das Geld streichen sie für sich ein. Im jüngsten Fall kommt die junge Mutter (Lee Ji-eun) jedoch zurück, sie will bei Suche nach Adoptiveltern mitreden. Ein kleiner Waisenjunge und sein väterlicher Freund kommen auch noch dazu, als die Reise im Minibus losgeht. Allen auf den Fersen sind zwei Polizistinnen.

Auf eine solche Geschichte muss man erst mal kommen, und wie stets bei Kore-eda geht es um soziale Bande unter nicht immer günstigen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

Was zeigt Kore-eda? Familie ist ein relativer Begriff, bei dem Gefühle das wichtigste Wort reden. Sein Regiestil ist frei von Spektakel, aber von betörendem Unterhaltungswert, weil er nur wenige Momente braucht, um eine Figur oder eine Situation mit Atmosphäre und Humor zu skizzieren. Aus dieser Könnerschaft des Beiläufigen resultiert ein enorm hohes Erzähltempo, das durch die eindrucksvoll aufspielenden Darsteller zusätzlich an Reiz gewinnt. In Fernost sind Kore-edas Filme gewaltige Kassenerfolge.

Hierzulande braucht es Filmkunstkinos, damit sie überhaupt zu sehen sind. Diese Chance sollte genutzt werden, denn es lohnt sich unbedingt.

„Das Blau des Kaftans“

Halim unterhält mit seiner Frau Mina (immer gut: Lubna Azabal) in der Medina von Salé eine traditionelle Schneiderei. Wer bei Halim einen Kaftan bestellt, der bekommt exquisite Stickereiarbeiten auf lupenrein gewirktem Satinstoff, die er von Hand näht. „Ein Kaftan muss denjenigen, der ihn trägt, überleben“, erklärt Halim (Saleh Bakri) auch seinen neuen Auszubildenden Youssef (Ayoub Missioui), der sich nicht nur handwerklich als hilfreiche Kraft erweist. Dann bricht bei Mina eine alte Krankheit wieder durch.

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Die Marokkanerin Maryam Touzani („Adam“) vereint in ihrer zweiten Regiearbeit geschickt die sinnliche Kraft von Textil und Farbe mit dem Fingerspitzengefühl des Schneiders im Umgang mit Nadel und Faden in geradezu erotisch anmutenden Bildkompositionen. In die eigentliche Spielhandlung mischt sie Problemaspekte ein, die aus westlichem Blickwinkel gern etwas mehr akzentuiert hätten sein dürfen. Dies ist aber ein Film aus Marokko, wo Homosexualität noch als Straftat geahndet wird und Frauen nicht nackt gezeigt werden dürfen.

Touzani widersetzt sich diesen Vorgaben, soweit das in künstlerischem Rahmen vertretbar ist, ohne in plakative Rebellenattitüde zu verfallen. Was auch für das superbe Darstellertrio gilt. Blicke sagen hier tatsächlich mehr als Worte.

„13 Exorcisms“

Sex, Drogen und Alkohol, ein unheimliches Haus, in dem ein Mord geschah, und eine spiritistische Sitzung, um mit den Toten zu sprechen – da alles hat seine Folgen für die 17-jährige Laura. Es mehren sich Angstzustände, zu Hause, auf der Straße, in der Schule. Lauras Eltern und der örtliche Priester wittern Unheil.

Ein Dämon hat von Laura Besitz ergriffen und es gibt nur einen Weg dem beizukommen. Ein interessantes neues Gewächs aus dem Gruselkompost des Besessenheitsfilms. Der katalanische Kameramann Jacobo Martinez legt in seinem Regiedebüt den Daumen eher auf das Spannungsfeld zwischen katholischer Esoterik und moderner Ratio, setzt wie einst William Friedkins „Der Exorzist“ auf die Kraft von Schockdetails in trügerisch nüchterner Realität und hat zudem einige interessante Gesichter im Gepäck; vor allem die Teenager, die nicht wie die üblichen US-Models aus. Abgebrühte könnte das langweilen, denn wer Horror nur mit Blut gleichsetzt, ist hier falsch.