Essen. Explosiver Schöpfungsprozess: Oliver Hirschbiegel zeigt einen Künstler bei der Arbeit. „Der Maler“ mit Ben Becker kommt heut ins Kino.
Am Anfang ist die weiße Leinwand, angsteinflößend und einladend zugleich. Wie sich daraus Strich für Strich ein Kunstwerk entwickelt und was das einem Künstler abverlangt, zeigt der deutsche Film „Der Maler“, der jetzt in die Kinos kommt. Eine 90-minütige Mischung aus Doku und Drama, in Szene gesetzt von Oliver Hirschbiegel („Der Untergang“).
Im Mittelpunkt steht der neoexpressionistische Maler Albert Oehlen, den Schauspiel-Berserker Ben Becker in einer Solo-Performance verkörpert: ein Besessener, der mit der Kunst hadert und ringt und am Ende triumphiert. Hirschbiegel verfolgt einen spannenden Ansatz: Albert Oehlen malte eines seiner abstrakten Bilder, Becker stellte den Schöpfungsprozess parallel dazu vor der Kamera nach. Die Kopie des Kunstwerks, die dabei entstand, wurde nach den Dreharbeiten zerstört.
Becker ist in seinem Element als „Der Maler“
Anfangs brüllt Becker vom Dach des Oehlenschen Anwesens in der Schweiz („Ich bin der Maler!“ „Time is money!“), um dann durch „sein“ Atelier zu führen. Er durchschreitet das Miteinander von Töpfen, Pinseln, Tuben, Werken, CDs und Katalogen majestätisch, stellt zwischendurch seine Pferde vor, Susi und den dicken Gerd, die auf einer Fotografie zu sehen sind. Vor der leeren Leinwand dreht sich um: „Gut, Kinders, wir fangen an!“
Der Schauspieler ist in seinem Element. Zerfurcht, aufgedunsen, mit offenem Hemd, den oberen Teil seines orangefarbenen Maler-Overall provisorisch um die Hüfte geknotet, steht er da. Er schwitzt, atmet schwer, stöhnt, heult, rauft sich das Haar („Ich kann es nicht!“, „Hör auf zu schmieren, Albert“), lacht irre – um im nächsten Moment mit dem Pinsel in der Hand vor dem halb fertigen Gemälde hin und her zu tänzeln. Zwei Tupfer, gelb: „Jetzt tut sich was! Jetzt bewegt sich was!“
Ein Bild entsteht vor den Augen der Kino-Zuschauer
Und so entsteht in diesem Film das Werk Schritt für Schritt und Schicht für Schicht vor den Augen der staunenden Zuschauer, unterlegt mit experimentellen Klängen, die die kreative Stimmung im Atelier perfekt widerspiegeln. Der Künstler trägt Farbe auf, dann Kleister, wieder Farbe, verwischt, wäscht schließlich alles ab, wobei Assistent Lars die Gießkanne bedient – beginnt von neuem, wischt wieder, während sich immer andere Eindrücke ergeben. Faszinierend ist das, unerklärlich und erfrischenderweise nicht frei von Ironie. Bis Becker zufrieden feststellt: „Das Bild ist fertig.“ Wie ein abstrakter Künstler diesen Punkt erkennt, bleibt rätselhaft.
Insgesamt ein etwas anderes Filmerlebnis und eine Einladung, einmal tiefer einzutauchen in die weite, oft hermetische Welt der bildenden Kunst.