Essen. Der in Herne geborene Komponist Gordon Kampe schreibt für Essens Aalto-Theater eine neue Oper. Ein Interview über zeitgenössische Musik heute.
Essens Aalto-Theater steht eine Uraufführung ins Haus, 15 Jahre liegt die letzte zurück. Am 11. März wird der in Herne geborene Komponist Gordon Kampe (46) sein „Dogville“ (nach Lars von Trier) aus der Taufe heben. Lars von der Gönna sprach mit dem in Hamburg lehrenden Kompositions-Professor über Neue Musik, Lieblingswerke, Hörgewohnheiten und Premierenfeiern.
Ich war mal dabei, als Schüler befragt wurden, was ein Komponist sei. Antwort: „Die sind alle schon tot!“
Gordon Kampe (lacht): Mir hat zwar noch keiner gesagt, dass ich tot bin, aber ich weiß schon, dass wir in manchen Weltbildern nicht zum Alltag gehören. Passiert mir schon, dass ich angeguckt werde wie ein komisches Auto. Auch so Fragen wie „Davon kann man leben?“ oder „Was machen Sie denn hauptberuflich?“ gehören dazu.
Dabei ist das eine Arbeit, die Sie tun, wie jeder andere seinen Job...
Ja, ich lieg’ nicht unterm Baum und warte auf ‘ne Inspiration. Es ist wahnsinnig unspektakulär. Wenn ich meine Tochter zur Schule gebracht und meiner Frau einen Kaffee gemacht habe, geht es los: Ich pendle zwischen Schreibtisch und Klavier, schreibe, „schmecke“ ab. Zentral wird Papier beschrieben. Wichtig ist: Am Ende des Tages muss die Hand schmutzig sein von Tusche, Tinte, Radiergummi.
Der althergebrachte deutsche Geniekult liebt ja eher den leidenden Künstler...
Ich bin kein Fan von Rumjammern. Ich denk’ immer: Ich will auch keinen jammernden Bäcker. Klar schreibt man mal was für den Papierkorb. Wenn mir mal nichts einfällt, pumpe ich mich voll mit anderer Musik von der Mozart-Oper bis Bob Dylan. Da weiß ich wieder, wo der Hammer hängt. Die Quelle, die es wieder sprudeln lässt, ist bei mir tatsächlich die Musik selbst.
Das Aalto-Theater weist stolz darauf hin, durch Sie nach 15 Jahren wieder eine Uraufführung im Programm zu haben. Das kann man ja auch umgekehrt sehen: Alle 15 Jahre! Das ist ein toller Intervall für Gegenwartsmusik...
Ich würd’ es gern ändern. Ich find’s Banane, dass die Szenen so getrennt sind: hier klassisches Sinfoniekonzert, Oper – und dann auf der anderen Seite das Neue! Das findet dann vor allem auf „Nerd-Festivals“ statt. Es wär’ schon schick, wenn da ein bisschen mehr gewagt würde.
Zumal zeitgenössische Musik sich live besonders gut erschließt. Dennoch: Im Publikum hat diese Gattung nicht nur Freunde, im Gegenteil! Kann man das ändern?
Mit ‘ner gewissen Fröhlichkeit vielleicht. Wenn ich als Komponist alle für doof erkläre, die mit meiner Musik erst mal nichts anfangen können, bringt das gar nichts. Vielen fehlt einfach die Hörerfahrung. Ich mache gern Moderationen, erkläre was. Und wenn nachher jemand an der Garderobe sagt: „War lustig, ist aber nich’ so meins“, ist das auch okay. Ich bin doch kein Missionar! Ich mag auch nicht alles, was unsere Zunft hervorbringt. Aber sie ist herrlich vielfältig, ich kann nur einladen, hörend was auszuprobieren.
Brahms sagte über Strauß’ Donauwalzer: „leider nicht von mir“. Über welche Komposition sagt Gordon Kampe das?
Über viele! Aber in die Knie gehe ich beim Schlussterzett aus dem „Rosenkavalier“.
Wie und und wo wird die Essener Premiere für Sie enden?
Mit meinen aus Hamburg angereisten Studenten irgendwann in der „Ampütte“, damit sie sehen, wie sich das Ruhrgebiet bei einem ganz normalen Pils anfühlt.
Premiere wird in Essen zur Chefsache
Als „Kino im Opernformat“ bewirbt das Aalto-Theater Gordon Kampes jüngstes Werk. Schon als Film sorgte Lars von Triers „Dogville“ wegen seiner völlig minimalistischen, klar an Theaterkulissen erinnernden Ausstattung für Aufsehen. In „Dogville“ gerät eine Zuflucht suchende junge Frau in den Würgegriff einer kaltherzigen Dorfgemeinschaft.
Die Premiere der Oper ist am 11. März, 19 Uhr, im Essener Aalto-Theater. Kampes Werk wird aus 18 Szenen bestehen und in englischer Sprache aufgeführt (deutsche Übertitel). Die musikalische Leitung hat Essens Generalmusikdirektor Tomáš Netopil, der Ende der Spielzeit nach zehn Jahren das Haus verlässt. Regie führt David Hermann.