DORTMUND. Staatschef singen: So ist es in John Adams’ „Nixon in China“. Dortmunds Oper zeigt das Werk nun in einer üppig ausgestatteten Inszenierung.

Wenn die Staatspräsidenten der USA und Chinas aufeinander treffen, ist Spannung garantiert. Das war 1972 nicht anders, als Richard Nixons Besuch bei Mao Tse-tung für dicke Schlagzeilen sorgte. John Adams Oper „Nixon in China“ (1987) ist jetzt an Dortmunds Oper zu sehen – mit einem Aufwand, der die personellen und technischen Ressourcen des Hauses restlos ausschöpft und durch das NRW Juniorballett und ein „Senior*innentanztheater“ noch zusätzlich getoppt wird.

Das Ergebnis ist eine bunte, teilweise überdreht vitale Revue, in der es weniger um Politik als um Persönlichkeiten geht, für die sich eine Verständigung aufgrund ihrer unterschiedlichen kulturellen und weltanschaulichen Wurzeln von Beginn an ausschließt. Die Ankunft des amerikanischen Präsidenten wird noch prunkvoll gefeiert, im Dialog sprechen die Staatsmänner nur noch verständnislos aneinander vorbei. Auch das Damenprogramm führt zu Irritationen und die Aufführung des von Maos Gattin kreierten revolutionären Balletts „Das rote Frauenbataillon“ löst gar blankes Entsetzen aus. Am Ende grübeln Nixon und Mao in der Dortmunder Inszenierung in einem Altenheim resigniert vor sich hin und blicken verklärend auf vermeintlich glücklichere Zeiten zurück. Begleitet von anderen, mittlerweile gebrechlichen Figuren der Geschichte.

„Nixon in China“ an Dortmunds Oper. Martin G. Berger inszeniert John Adams

Regisseur Martin G. Berger ist an der politischen Substanz des Stoffs noch weniger interessiert als der Komponist. Er erweitert den Zeitrahmen der Handlung und verknüpft ihn mehr oder weniger schlüssig mit der Entwicklung einer Frau, die das Treffen als Kind im Fernsehen verfolgt hat und am Ende den mittlerweile senilen und inkontinenten Staatsmännern im Altersheim begegnet. Den beabsichtigten feministischen Akzent verstärkt Berger zusätzlich durch die Drastik, mit der die aus der Sicht von Maos Gattin brutale Unterdrückung der Frauen im vorrevolutionären China dargestellt wird.

Die ersten Akte leben von Tempo und Action, kostümsatt wie ein Rosenmontagszug

Die ersten beiden Akte trimmt Berger auf Tempo und Action, ständig begleitet von den Revue-Girls. Alexander Djurkov Hotter wartet mit einer Kostümkollektion auf, mit der sich ein ganzer Rosenmontagszug ausstatten ließe. Sowohl das Stück selbst als auch die Inszenierung setzen stärker auf Effekt als auf Reflexion und bewegen sich eher im Musical-Genre.

Umso deutlicher fällt der Bruch im dritten Akt auf, wenn die Akteure in langen Monologen schwermütig auf ihre Jugendträume zurückblicken. Doch gerade wenn es um leisere Facetten geht, zeigen sich die Grenzen der Musik von John Adams mit ihren minimalistischen Dauerschleifen. Adams gelingt es zwar vorzüglich, mit raffinierten, endlos repetierten Motiven die handlungsaktiven Akte unter Spannung zu halten. Für die hintergründigeren Monologe im Schlussakt erweisen sich seine klingenden Girlanden nach drei Stunden als zu dünn, zu banal und zu zäh.

Philharmoniker spielen gegen die Schwächen der Musik souverän an

Was allerdings die Herausforderungen an das Orchester in Sachen minuziöser rhythmischer Präzision nicht mindert. Und da hat Olivia Lee-Gundermann, 2. Kapellmeisterin des Hauses, mit den Dortmunder Philharmonikern gute Arbeit geleistet. Vor der Pause dynamisch noch zu druckvoll forcierend, fand sie schnell zu ausgewogeneren Ergebnissen. Nicht minder exakt trat der erweiterte Opernchor in Erscheinung und mit der glänzenden Besetzung der zehn Solo-Partien unterstreicht die Dortmunder Oper ihre exzellente Ensemblearbeit. Petr Sokolov stellt Richard Nixon mit seinem markanten Bariton als smarten, später ernüchterten Yankee dar, Irina Simmes dessen Gattin als eine empathische, stimmlich fein nuancierende Frau. In der Rolle Mao Tse-tungs erweist sich Alfred Kim als wandlungsfähiger Charaktertenor und Hye Jung Lee als Maos Gattin bewältigt die akrobatischen Höhenflüge der virtuosen Partie mühelos. Der zurückhaltend vermittelnde Diplomat Chou En-lai ist mit dem Bariton Daegyun Jeong ungewöhnlich jung, aber stimmlich sehr präsent besetzt. Und Morgan Moody als zwielichtig agierender Henry Kissinger rundet das Ensemble der Hauptrollen auf gleichem Niveau ab.

Begeisterter Beifall für alle Akteure, ein einsamer Buh-Ruf gegen das szenische Team für eine eigenwillige, opulente und unterhaltsame Produktion, deren Zielrichtung allerdings nicht ganz sichtbar wird.

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Aufführungsdauer: Drei Stunden, eine Pause. Die nächsten Aufführungen im Dortmunder Theater: am 2., 10., 18. und 29. März (www.theaterdo.de).