Athen/Berlin/Düsseldorf. 7,7 Millionen sahen Christian Erdmann zuletzt im Ostfriesenkrimi. Jetzt freut sich der Düsseldorfer Schauspieler über seine Berlinale-Premiere.
Was zieht er an? Christian Erdmann sitzt gut 2000 Kilometer entfernt auf einem Balkon in der Februarsonne von Athen, als er die Frage am Telefon beantwortet. Im grünen Anzug wird er auf dem roten Teppich stehen. Dunkelgrün, um genau zu sein.
Er steht vor einer Premiere: Die erste Berlinale für den Düsseldorfer Schauspieler. Die Klamottenfrage war kein großes Ding für ihn. „Ich werde den Anzug vom Dreh hier in Athen tragen.“ Für den ZDF-Film „Spur der Bilder“ über den Kobalt-Abbau im Kongo spielt Erdmann einen Anwalt im schnieken Anzug. Und genau den kann er sich für Berlin borgen. Wie praktisch!
Seit 2017 spielt Christian Erdmann den Kommissar Frank Weller in den Ostfriesenkrimis
Das Timing stimmt. Mittwoch letzter Drehtag, Donnerstag kurz zur Familie in Düsseldorf und Freitag nach Berlin – mit Bauchkribbeln. „Das ist mein erstes internationales Filmfestival.“ Überhaupt ist es das erste Mal, dass der 48-Jährige im Großformat zu sehen sein wird. Mal abgesehen von den Ostfriesenkrimis, in denen er seit 2017 den Kommissar Frank Weller spielt und die bei ihren Premieren auf großer Leinwand gezeigt werden. Aber es sind eben Fernsehproduktionen.
Nun also Kino: „Irgendwann werden wir uns alles erzählen“, das Werk von Regisseurin Emily Atef, geht bei der Berlinale ins Rennen. Dass Christian Erdmann hier nur eine Nebenfigur verkörpert, spielt beim Ausmaß seiner Freude über das Filmprojekt und die Teilnahme am Festival keine Rolle. „Ich hätte da auch mitgemacht, wenn ich nur einmal durchs Bild hätte laufen dürfen“, sagt er und lacht.
Die Romanvorlage, den Bestseller von Daniela Krien, hatte er längst gelesen, als die Anfrage für die Rolle kam. Die Geschichte, die zur Zeit der Wende spielt, interessiert ihn sehr. Erdmann wurde in Thüringen geboren. In Rudolstadt. „Ich war 14, als die Mauer fiel.“ Im Film spielt er einen verlorenen Sohn und Bruder, der 1990 aus dem Westen zurück in die ostdeutsche Heimat kehrt.
Die Festanstellung im Schauspielhaus Düsseldorf hat Christian Erdmann aufgegeben
Dass es beruflich so gut laufen würde, war bei unserem letzten Gespräch noch nicht vorhersehbar. Viel Unsicherheit schwang im Sommer 2020 mit, denn Christian Erdmann hatte kurz zuvor die Entscheidung getroffen, seine sichere Festanstellung im Ensemble des Düsseldorfer Schauspielhauses zu kündigen, um sich der Arbeit für Film und Fernsehen öffnen zu können. Dann kam Corona und die Pandemie schüttelte den frisch selbstständig gewordenen Familienvater erstmal kräftig durch. Dennoch: Den Abschied von der Theaterbühne hat er auch in der beruflich unsicheren Zeit nicht bereut: „Ich habe mich noch nie so frei und selbstbestimmt gefühlt.“ Die Karriere ist nach dem anfänglichen Ruckeln in Fahrt gekommen.
Christian Erdmann dreht mit Oscar-Preisträgerin Caroline Link
Zu den neusten Produktionen gehört die sechsteilige Dramaserie „Neuland“, die aktuell in der ZDF-Mediathek zu sehen ist. Außerdem spielt er mit in „Safe“ von Oscar-Preisträgerin Caroline Link. „Das war eine ganz tolle Erfahrung.“ Den jüngsten seiner Ostfriesenkrimis haben übrigens 7,7 Millionen Menschen gesehen. Zwei weitere Folgen werden ab April gedreht.
Jetzt, wo er sich von der Theaterbühne abgenabelt hat, realisiert Christian Erdmann, unter welch enormem Druck er gestanden hat. 2016 ist er mit dem Intendanten Wilfried Schulz aus Dresden nach Düsseldorf gekommen und voll durchgestartet. In Stücken wie Hamlet, Gilgamesch, der Idiot, Fanny und Alexander oder Momentum hat er auf der Bühne gestanden. Wahnsinnig viel Kraft hat es ihn gekostet, die Texte für mehrere Produktionen gleichzeitig parat zu haben. Bei sprachgewaltigen Rollen wie Michael Kohlhaas musste er zwei, drei Tage vor der Aufführung mit dem Wiederholen des Textes beginnen. Ein Zeitkorsett, das sich mit dem Leben einer Familie mit zwei kleinen Kindern kaum vereinbaren ließ.
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Das ist jetzt anders. Wenn die Filmproduktionen abgehakt sind, hat er Zeit. Manchmal mehrere Wochen am Stück. „Dann denke ich abends, wenn ich mit meinen Kindern spiele, oft noch: Ach, du musst ja gar nicht ins Theater.“ Und Raum für Hobbys ist plötzlich da: „Ich habe einen Angelschein gemacht, lerne Schlagzeug, fahre Ski und spiele Golf.“ Das Seltsame aber ist, dass ihn der Abschied von der Bühne trotz aller Zufriedenheit manchmal noch schmerzt. „Da gibt es eine ganz tiefe Sehnsucht nach dem Theater, die ich nur schwer erklären kann“, sagt er. „Vielleicht ist es dieser besondere Zauber, der sich nur aus dem unmittelbaren Austausch mit dem Publikum ergeben kann, der mir fehlt.“
Mama und Papa Erdmann werden oft angesprochen und sind stolz auf ihren Sohn
Jetzt aber erst mal die Berlinale. Das Wort „Weltpremiere“ fühlt sich gut für ihn an. „Auch wenn ich persönlich wirklich nicht gerne im Rampenlicht stehe.“ Viel mehr freut ihn, dass seine Eltern in der Heimat in Thüringen angesprochen werden, wenn er mal wieder im Fernsehen zu sehen war. Dass sie stolz auf ihr Kind sind, macht ihn dankbar: „Sie haben das alles erst möglich gemacht, weil sie mich immer auf meinem unkonventionellen Berufsweg unterstützt haben.“
Den 13. April können sich Mama und Papa Erdmann im Kalender anstreichen – dann kommt der Berlinale-Film mit ihrem Sohn in die Kinos.