Dortmund. Lichtblick im Zeichen der Kohle: Dortmunds schwächelndes Schauspiel hat mit „Unter Grund“ ein starkes Stück Theater mit Revier-Bezug im Programm.
Das Dortmunder Schauspielhaus steckt tief in der Krise, die Auslastungszahlen sind unterirdisch. Da kommt diese Uraufführung gerade recht. „Unter Grund“ der serbischen Autorin, Regisseurin, Performerin und Dozentin Sanja Mitrović, die mit ihren Arbeiten für europäische Festivals (Wiener Festwochen) und führende Bühnen (u.a. Zürich, Berliner Schaubühne) internationale Anerkennung erfahren hat, ist dazu angetan, das Aufmerksamkeits- und Akzeptanzdefizit zu verringern. Der Beifall nach zwei Stunden war gewaltig.
Auf der Drehbühne ein kleines Zimmer. Zwei Stühle, Tisch, ein paar Pflanzen. An der Wand ein Bild der Heiligen Barbara, Schutzpatronin aller Bergleute. Ein Mann (Ekkehard Freye) bepflanzt kleine Setzschalen mit Ablegern. „Das ist mein Vater“, ertönt eine Stimme aus dem Off. Während die Tochter (Antje Prust) von dessen Leben, Gedanken oder Gefühlen erzählt und eine Orgel dazu ein leises Requiem anstimmt, bereitet sich der Vater auf den letzten Arbeitstag im Bottroper Bergwerk Prosper-Haniel vor – dem letzten deutschen Steinkohlebergwerk, das 2018 geschlossen wurde.
„Unter Grund“ am Theater Dortmund - zwischen Prosper Haniel und Science-Fiction
Doch das Stück ist kein weiterer Grabgesang; nichts wird verklärt. Alle Fakten führen geradewegs in die Fiktion. Die Bühne dreht sich, wir befinden uns „Unter Grund“ und im Jahr 2040. Die Erde ist wegen des Klimawandels kaum noch bewohnbar; bis auf eine kleine Elite, die es sich für viel Geld auf dem Mars einrichtet, sind die Menschen für ihr Überleben auf die alten Schächte angewiesen.
Der einst entbehrliche Bergmann und seine Tochter, inzwischen Geo-Ingenieurin, sind wieder gefragt. Genauer: Ihr Wissen um Mutter Erde, ihre Einstellung zur Natur und vor allem die bergmännische Solidarität, die untertage lebensnotwendig war und allen ungeachtet Herkunft oder Nationalität galt. Denn der Planet, dem das Ensemble immer wieder seine Stimme leiht, kennt keine Unterschiede.
Regisseurin Mitrović nutzt für „Untergrund“ Klanginstallationen und filmische Mittel
Mitrović, die auch mit filmischen Mitteln arbeitet oder die im dann Saal verteilten Darsteller zwischendurch großartige Klanginstallationen schaffen lässt, findet amüsante, manchmal schräg-verrückte Bilder für ein ernstes, vielschichtiges Thema. Warum sind beim Klimaschutz Kosten und Rendite so wichtig, warum werden in der Regel die Menschen „da unten“ von der Politik in die Pflicht genommen, warum sind privilegierte Reiche ungleich gestellt, warum zeigt der Milliardär (Alexander Darkow) allen Forderungen nach solidarischem Beitrag den Stinkefinger? Können der Bergmann, seine Tochter, eine Aktivistin und ein Bauer die Welt irgendwie retten?
Fragen, auf die Mitrović keine Antwort gibt. Zum Schluss, wenn die Bühne sich wie eine Tretmühle dreht, leuchten die Schriftzeichen „Work“ (Arbeit) und „Infinity“ (Endlosigkeit) auf. Es ist noch unendlich viel zu tun.
1. 12., 25.2. (19.30 Uhr); 19. u. 26.3. (18 Uhr). Tel. 0231-5027222