Essen. Emmet Cohens neues Werk „Uptown in Orbit“ bietet für jeden Jazzfan etwas – aber für keinen alles. Warum sich das Album trotzdem lohnt.

Der amerikanische Pianist Emmet Cohen gehört zur raren Gattung der Internet-Jazzstars. Mit „Live from Emmet’s Place“ direkt aus seinem Wohnzimmer erreicht er auf Youtube regelmäßig Hunderttausende Musikfans und hat Größen wie Chad Lefkowitz-Brown und Randy Brecker zu Gast. Mit seinen Alben fliegt er noch ein wenig unter dem Radar – und das ist schade, wie sein neuestes Werk „Uptown in Orbit“ (Mack Avenue) eindrucksvoll zeigt.

Cohen legt los, wo gerüchteweise auch der Jazz losgelegt hat: bei Jelly Roll Morton. Dessen „Finger Buster“ spielt der technisch exzellente Cohen mit links (und rechts) und verpasst dem Stück doch seine eigene, moderne Note. Hier ein paar Schläge verschluckt, dort eine Skala dem Bebop entliehen – „zeitgenössischer Ragtime“ möchte man sagen.

Emmet Cohens „Uptown in Orbit“ lebt von einer hervorragenden Band

Was den Jazzer Cohen wirklich ausmacht, zeigt er im titelgebenden „Uptown in Orbit“. Einem sphärischen Intro folgt ein wilder, harmonischer Ritt mit Emmet Cohens langjährigen Partnern Russell Hall (Bass) und Kyle Poole (Schlagzeug). Und dann: die Bläser. Sean Jones (Trompete) und Patrick Bartley (Altsaxophon) legen sich ins gemachte Bett der Rhythmusgruppe, besonders Jones brilliert in Soli und harmoniert mühelos mit dem Rest der Band.

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Überhaupt, die Band: Das Quintett spielt im gleichen Geiste, ohne in langweilige Schemata zu verfallen. Das ist nicht zuletzt Verdienst von Emmet Cohen selbst, der sich angenehm zurücknimmt; seine hochvirtuosen, authentischen Solokünste nicht unnötig auspackt.

Gelegentliche Beliebigkeit ist einzige Schwäche des Albums

Mit „My Love will come again“ präsentiert das Quintett die stärkste Nummer des Albums. Wie schon „Uptown in Orbit“ erinnert die Komposition an die großen Stücke Pharoah Sanders’, einem Fluss aus Blockakkorden folgt ein Thema, so sanft wie nur irgend möglich – eine musikalische Erleuchtung.

Wenn es an „Uptown in Orbit“ etwas zu meckern gibt, dann wohl, dass es phasenweise etwas beliebig klingt. Cohen springt zwischen eigenen Ragtimes („Spillin’ the Tea“) über Miles Davis’ „Venus de Milo“ in Nummern, die auch ein bisschen im Free Jazz daheim sind („Distant Hallow“). Für jeden etwas, für keinen alles.