Dortmund. Ein Klang, der tief berührt. Mit Schubert und Britten gab das Mahler Chamber Orchestra in Dortmunds Konzerthaus einen großen Abend.

Ein schmerzliches Gehemmtsein ist oft charakteristisch für die Musik von Franz Schubert. Seelennot kleidet sich in Klänge von sublimer Schönheit. Gegen Schicksalsschläge bietet innere Emigration freilich keinen Schutz: Schuberts 4. Sinfonie und seine „Unvollendete“ künden davon. Als einzige in Moll-Tonarten komponiert, bildeten die Geschwisterwerke jetzt die Klammer für das Gastspiel des Mahler Chamber Orchestra im Konzerthaus Dortmund.

Mit seinem sanglichen, oft samtigen Klang besitzt das vor 25 Jahren von Claudio Abbado gegründete Musikerkollektiv beste Voraussetzungen für einen extrafeinen Schubert-Abend. So mysteriös der Pianissimo-Beginn der „Unvollendeten“ raunt, so mild die Holzbläser-Soli über Streicher-Synkopen schweben, so unerbittlich packt das Orchester im Fortissimo zu. Empfindsamkeit gegen Schicksalsgewalt, fragile Glücksvisionen leuchten auf und zerschellen. Die Anmut bleib dabei stets gewahrt: Geklotze gibt es bei diesem Orchester nicht.

Schubert und Britten: Das Mahler Chamber Orchestra begeistert in Dortmund

Am Dirigentenpult formt der für die erkrankte Joana Mallwitz eingesprungene Christoph Koncz mit der linken Hand Schuberts himmlisch lange Melodien, fordert immer wieder Zurückhaltung. Die Vierte kennt festlichere Höhepunkte, aber Koncz schickt einen Schuss Hektik in die Eleganz, hält die aufgeregten Figuren der Geigen unter Strom.

Zum Hochgenuss wird Brittens Serenade für Tenor, Horn und Streicher. Mehr Farbenreichtum und Expressivität lassen sich kaum wünschen. Der Tenor von Andrew Staples, in der Höhe von androgynem Reiz, kennt zwischen Verlorenheit und Ingrimm tausend Nuancen. Prolog und Epilog des Solo-Horns, entsetzlich heikel zu intonieren, finden in José Vicente Castelló einen unerschrockenen Meister. Die Streicher des „MCO“ öffnen dazu schimmernde Weiten, tief wie der Ozean. Traumschön!