Berlin/Essen/Düsseldorf. Das zwischen Essen und Düsseldorf umstrittene Fotoinstitut soll einem Beschluss des Bundestags-Haushaltsausschusses zufolge in Düsseldorf stehen.

Das geplante, lange zwischen Essen und Düsseldorf umstrittene Bundes-Fotoinstitut für die Pflege des fotografischen Erbes soll nun doch nach Düsseldorf kommen. Wieder ist es der Haushaltausschuss des Bundestages, der Fakten schafft: In einer Sitzung zu

 Claudia Roth (Grüne), Staatsministerin für Kultur und Medien: „Viele offene Fragen zu klären.“
Claudia Roth (Grüne), Staatsministerin für Kultur und Medien: „Viele offene Fragen zu klären.“ © dpa | Kay Nietfeld

Donnerstag beschloss das Gremium, zu den bereits 2019 zugesagten 41,5 Millionen Euro für das Institut weitere 1,45 Millionen Euro zu bewilligen – mit der gleichzeitigen Festlegung auf Düsseldorf als Standort.

Ein Sprecher der Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth (Grüne) bestätigte gegenüber unserer Redaktion: „Der gestrige Beschluss des Haushaltsausschusses für ein Institut für Fotografie ist ein Bekenntnis des Parlaments zur großen Bedeutung der Fotografie als zeitgenössische Kunstform und wird die Rolle der Fotografie stärken. Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien hat diesen Beschluss zur Kenntnis genommen und sieht darin einen Auftrag für ein anspruchsvolles Vorhaben. Es gilt jedoch zunächst viele offene Fragen zu klären.“

Trostpflaster? Geld für eine musikalische „Summer Academy“ auf Zollverein

Zugleich beschloss der Haushaltsausschuss als Trostpflaster für Essen die Bewilligung von 350.000 Euro im Jahr 2023 für eine „Summer Academy“ auf der Welterbe-Zeche Zollverein, auf deren Gelände die Stadt Essen ein Grundstück für das Foto-Institut bereitgestellt hatte. Außerdem genehmigt wurden 150.000 Euro für eine Machbarkeitsstudie zu einer solchen „Summer Academy“ und eine Verpflichtungserklärung über 1 Million Euro, die 2024 für besagte „Summer Academy“ ausgegeben werden dürfen. Zum Trostpflaster werden auch die 650.000 Euro für das 2026 im gesamten Ruhrgebiet stattfindende Kunstfestival „Manifesta“ gezählt.

Von einer „Summer Academy“ weiß man allerdings auf Zollverein nichts. Theodor Grütter, Vorstand der Stiftung Zollverein, nannte die Summen dieser Redaktion gegenüber „völlig unzureichend“ als Kompensation für den Wegfall des Foto-Zentrums: „Und wenn“, so Grütter weiter, „dann sollte das Geld in das Essener Zentrum für Fotografie fließen!“

Monika Grütters (CDU) favorisierte Essen, Armin Laschet (CDU) blockierte

Düsseldorf war bereits bei der überraschenden Bewilligung des Bundestags-Haushaltsausschusses 2019 als Standort genannt worden; zwischenzeitlich aber hatten eine Expertenjury und eine Machbarkeitsstudie klar herausgearbeitet, dass Essen der besser geeignete Standort für ein solches Foto-Institut wäre; es soll die Pflege des fotografischen Erbes Deutschlands betreiben, von der Konservierung alter Bilder bis hin zur Aufnahme von fotografischen Nachlässen und der Erarbeitung von Standards für Reproduktionen digitaler Fotografie. Ex-Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) hatte den Standort ebenfalls favorisiert, ihn aber nicht gegen die Blockade durch den damaligen NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet (CDU) durchdrücken können.

Folkwang-Museum, Folkwang-Universität, Ruhrmuseum und Historisches Archiv Krupp

Essen hatte mehr vorzuweisen in Sachen Fotografie als Düsseldorf, für das vor allem das Image der dort entstanden „Becher-Schule“ zählte. Essen mit dem Folkwang-Hochschul-Studiengang einen der ältesten dieser Art in Deutschland (samt einer einzigartigen Professur für Theorie der Fotografie), Essen hat im Folkwang-Museum die bundesweit renommierteste Sammlung künstlerischer Fotografie und dort auch zwei Konservatoren-Stellen sowie mit dem Ruhrmuseum und dem Historischen Archiv Krupp Sammlungen, die über insgesamt rund fünf Millionen Fotografien verfügen und diese pflegen.

Fraglich ist, ob mit der nun bewilligten Gesamtsumme von rund 86 Millionen Euro das geplante Bundesinstitut überhaupt alle angedachten Aufgaben bewältigen kann – zumal für den im Machbarkeitsgutachten errechneten Platzbedarf etwa für fotografische Nachlässe das in Düsseldorf vorgesehenen Grundstück zwischen Hofgarten und Ehrenhof in Nähe des Rheinufers gar nicht ausreichen würde (zumal der Standort durch Extrem-Hochwasser gefährdet ist). Weil die Gutachter schon damals – im Frühjahr 2021 – einen Finanzbedarf von 120 Millionen Euro für die Errichtung des Zentrums kalkuliert hatten, bezweifeln Fachleute, dass ein Foto-Institut mit der nun bewilligten Summe auskommen kann, zumal die Baukosten seither rasant gestiegen sind und es weiter tun. Von einem „Foto-Zentrum“ könnte dann nicht mehr die Rede sein; abgedeckt wäre allerdings wahrscheinlich die Forderung, mit der Star-Fotograf Andreas Gursky den Stein für eine Foto-Einrichtung in Düsseldorf ins Rollen gebracht hatte: Die theoretische und praktische Erarbeitung von Standards für Reproduktionen digitaler Fotografie, deren Exponent nicht zuletzt Gursky selbst ist.

Auch der Sprecher der Kultur-Staatsministerin Claudia Roth betont, es müsse zunächst einmal „die Finanzierung der baulichen Errichtung kalkuliert und sichergestellt sein“. Zudem nahm er „das Land Nordrhein-Westfalen als Sitzland“ in die Verantwortung, was die Betriebskosten der Einrichtung angeht. Und: „Wir müssen Sorge dafür tragen, dass das Projekt auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten Pionier-Charakter hat. Denn es handelt sich ohne Zweifel um ein technisch und energetisch sehr aufwendiges Vorhaben.“

Folkwang-Direktor Peter Gorschlüter bedauert: „fachliche Expertise ignoriert“

Die vier Essener Foto-Einrichtungen wollen weiter zusammenarbeiten, wie auch Peter Gorschlüter, Direktor des Museums Folkwang, betont. Er fügt hinzu: „Es ist schade, „dass sich Bund und Land bei der Entscheidung über die eindeutige fachliche Expertise hinweggesetzt haben“. Und: Die vier Essener Foto-Institutionen seien durch die Zusammenarbeit bei der Bewerbung um das Foto-Institut derart zusammengewachsen, dass „Essen auch in Zukunft einer der wichtigsten Orte für Geschichte, Gegenwart und Zukunft der Fotografie bleiben“ werde. Die nun geschaffenen Wege der Zusammenarbeit würden weiter beschritten.

Die Fraktion der Grünen im Ruhrparlament kritisiert die Entscheidung in Berlin: „Es ist inakzeptabel, dass der Bund bei der Vergabe von Bundesinstitutionen das Ruhrgebiet seit Jahrzehnten benachteiligt. Als größter Ballungsraum Deutschlands muss unsere Region bei Entscheidungen von Bund und Land wieder angemessen berücksichtigt werden“, betont Patrick Voss, ebenfalls Fraktionsvorsitzender der Grünen im Ruhrparlament, der zugleich den direkt gewählten Ruhrgebiets-Abgeordneten von SPD und CDU im Bundes-Haushaltsausschuss vorwarf, den Misserfolg für die Region nicht verhindert zu haben. Freilich geschah dieser Misserfolg nicht ohne Zutun der Grünen – der Posten fürs Bundes-Fotoinstitut gehört zum Haushalt der Grünen-Staatsministerin für Kultur und Medien Claudia Roth, die den Beschluss mindestens akzeptiert haben wird. Und dem Vernehmen nach gehört zu den heftigsten Verfechtern einer Düsseldorfer Lösung Vize-Ministerpräsidentin Mona Neubaur, die ebenfalls über ein Parteibuch der Grünen verfügt.