Essen. Fatih Akin erzählt in seinem neuen Kinofilm „Rheingold“ das Leben des Musikers und Produzenten Xatar. Und das gelingt ihm richtig gut.
Die besten Geschichten schreibt das Leben, und diese ist eine davon: 2009 landeten sechs junge Männer mit einem spektakulären Goldraub in den Schlagzeilen; 120 Kilo, etwa 1,7 Millionen Euro, erbeuteten sie bei einer fingierten Polizeikontrolle. Einer von ihnen war der Rapper Giwar Hajabi alias Xatar. Noch im Gefängnis nahm er ein Album auf; heute ist er erfolgreicher Musiker und Produzent mit eigener Gastronomie. Sein Leben stand nun Pate für Fatih Akins neuen Film „Rheingold“, ein Gangsterdrama über einen Verlierer, der es zurück in die Gesellschaft geschafft hat.
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Schon als Kind macht Xatar Erfahrung mit dem Gefängnis. Geboren wird er als Giwar Hajabi als Sohn einer kurdischen Familie 1981 im Iran. Nach der Islamischen Revolution flüchten seine Eltern in den Irak, wo sie als Freiheitskämpfer inhaftiert und gefoltert werden. Damals war er drei Jahre alt. Am Anfang des Films zeigt ihn die Kamera, wie er als erwachsener Mann in einer überfüllten Zelle im syrischen Knast sitzt. Das Ende seiner Flucht vor der Polizei.
Als eine Ladung Kokain verloren geht, braucht Xatar Geld
Giwar heißt soviel wie „Im Leid geboren“; anfangs ist zu sehen, wie der Junge im Kugelhagel des Krieges zur Welt kommt. Sein Vater ist der Musikprofessor und Komponist Eghbal Hajabi. Giwar lernt früh Klavierspielen. Später hat er sich dann beim Boxen die Knöchel kaputt geschlagen, bewusst ohne Handschuhe, da es auf der Straße keine Handschuhe gibt.
Akins Drehbuch basiert auf Xatars Autobiografie „Alles oder nix. Bei uns sagt man, die Welt gehört dir“; im Film übernimmt es Hauptdarsteller Emilio Sakraya, seine Geschichte zu erzählen. Es geht nach Deutschland, Bonn. Eine Sozialbausiedlung. Der Junge und sein Vater im Opernhaus.
Dann verlässt er die Familie. Giwar rutscht ab, verkauft erst Pornofilme, dann Drogen. Als er brutal verprügelt wird, lernt er, sich zu wehren und erhält den Namen Xatar, der Gefährliche. Er arbeitet als Türsteher, gründet ein Musiklabel, „von Verbrechern für Verbrecher“. Dann geht eine Ladung Kokain verloren. Giwar braucht dringend Geld.
Ein Faible für raue Storys und gebrochene Helden
Ein filmreifes Leben – und wie gemacht für den Hamburger Kult-Regisseur Fatih Akin („Solino“, „Gegen die Wand“, „Aus dem Nichts“) mit seinem Faible für raue Stoffe und gebrochene, moralisch fragwürdige Helden. Sein Biopic, das in enger Zusammenarbeit mit Xatar entstand, gibt die Geschichte nun im Zeitraffer wider, mit viel Rap und ein bisschen Richard Wagner. Dabei geht es mitten hinein in die Welt der Kriminellen und Möchte-gern-Verbrecher, der „Brüder“ und Gangster-Rapper, die Akin mit Respekt, aber auch mit einem fetten Augenzwinkern porträtiert.
Der Film ist mit zweieinhalb Stunden lang, aber nicht zu lang. Dafür ist er zu unterhaltsam: brutal, böse, lustig und authentisch, alles zugleich. Das ist auch den Schauspielern zu verdanken, allen voran Emilio Sakraya („4 Blocks“), der viele Facetten zeigt: Sein Rapper verfügt über die nötige Schlagkraft, aber auch über Witz und leichtfertigen Charme, etwa als er das Herz seiner netten Nachbarin Shirin (Sogol Faghani) erobern will. Die Wende bringt jedoch erst das Gefängnis: Hier beginnt er mit einem heimlich eingeschleusten Diktiergerät unter einer Decke seine Rapsongs aufzunehmen.
Am Ende ist Xatar als Gewinner aus der Sache herausgekommen. Und das geraubte Gold ist bis heute verschwunden. Im Film flüstert er seiner Tochter leise ins Ohr, was aus dem Schatz geworden ist. Und die Rheintöchter bekommen doch noch ihren Auftritt.