Duisburg. Heinz Josef Klaßen hat Venedig fotografiert, bevor die Touristen kamen. Seine Bilder aus dem Jahr 1975 werden jetzt in Duisburg ausgestellt.

In Vietnam geht der fürchterliche Krieg zu Ende, in Spanien die fürchterliche Diktatur von Franco. Im Amsterdamer Rijksmuseum hackt ein Irrer mit dem Messer auf Rembrandts „Nachtwache“ ein, Präsident Ford versucht in den USA vergebens, Kilometer statt Meilen und Liter statt Gallonen einzuführen und in Nordrhein-Westfalen werden Städte und Kreise neu sortiert. Und der Essener Maler und Gymnasiallehrer Heinz Josef Klaßen, der vor wenigen Tagen sein 85. Lebensjahr vollendet hat, fährt in den Osterferien mit seiner Ehefrau nach Italien, um in der Nähe von Venedig ein befreundetes Paar zu besuchen. Dass Klaßen diese Reise zu einem zweitägigen Ausflug nach Venedig genutzt hat, beschert uns nun eine sehenswerte Foto-Ausstellung in der Duisburger Cubus-Kunsthalle.

Klaßen fing auf seinen Dia-Filmen ein Venedig ein, das für die gerade eben so gefeierte Donna Leon der Grund gewesen sein wird, Jahrzehnte lang dort zu leben. Am Ende wird es nur noch die Erinnerung daran gewesen sein. Auf Klaßens Fotos ist es ein Venedig ohne Touristen. Man sieht nur eine große Familie, die loszieht, vereinzelt auch Passanten. Und man spürt, ja riecht in diesen Bildern eine stolze Stadt, die ihren eigenen Verfall mit einem spürbaren Echo jener Größe erträgt, die sie vor etlichen Jahrhunderten als Königin des Mittelmeers hatte. Schließlich stehen ihr die Kleider von damals, die Palazzi und Piazzi, die Wasser und Steingassen von damals immer noch sehr gut, auch wenn sie durchweg verschossen und hier und da auch marode wirken. Und es ist der lässige, vom Klima begünstigte Umgang Italiens mit seinem Kulturerbe, mit seinen Denkmälern, die gar nicht tippitoppi restauriert sein müssen, sondern Spuren der Zeit eher stolz wie Narben tragen.

Stimmige Perspektiven und unbeschnittene Bildausschnitte

Venedig, wie Heinz Josef Klaßen es erlebte.
Venedig, wie Heinz Josef Klaßen es erlebte. © Heinz Josef Klaßen

Bestechend ist bei den Aufnahmen, die Klaßen in diesem Jahr eigens für die Ausstellung restauriert hat, die stets stimmige Perspektive und der (unbeschnittene) Bildausschnitt. Für die Vergrößerung auf das DIN-A-2 Format, in denen die Bilder durchweg daherkommen, eignen sich aus technisch-konservatorischen Gründen manche Aufnahmen weniger.

Heinz Josef Klaßen, von dem wir 2020 bereits fotorealistische Gemälde in großer Perfektion (in der Cubus-Kunsthalle) und höchst authentische Farbfotografien aus der Ruhrregion (im Ruhrmuseum) kennengelernt haben, war also auch auswärts stark. Wer seine Bilder aus Venedig sieht, begreift, warum selbst Bild-Attentate, Diktatoren-Tode und Gemeindegebietsreformen nur Wimpernschläge der Geschichte sind im Vergleich mit den Jahrhunderten, die Venedigs Mauern aufgesogen haben und so vielsagend nach außen wenden.