Düsseldorf. Versuch, einen antiken Stoff in die Gegenwart zu retten: Mal kalauernd, aber auch mit Meriten gerät Felix Krakaus „Ödipus“ in Düsseldorf.

Sophokles’ „Ödipus“ ist ein Stück über die Unentrinnbarkeit. Aber es ist auch ein Stück über das Unerträgliche der Wahrheit. Fern von den monströsen Wechselfällen, die dem Titelhelden geschehen: Eine mindestens unbequeme Wahrheit für uns ältere Theaterfreunde ist, dass längst Generationen da sind, zu denen der Text nicht mehr spricht. Die monumentalen Übertragung der großen Altphilologen, in deren Versen sich unentwegt die übergroße Wucht von Schicksal und göttlicher Bestimmung spiegelt, sie ist längst Liebhaberlektüre.

So muss man eine „Überschreibung“ wie die Felix Krakaus dann wohl auch verstehen als: Rettungsversuch. Gewiss, Krakau (*1990 und an Düsseldorfs Kleinem Haus auch Regisseur seines Werks) begegnet der antiken Tragödie teils kalauernd („Da steh’ ich nun, ich armer Chor“), und das Vorspiel mit der Aufreihung des Geschehenen rutscht fast Richtung Krippenspiel für Bildungsferne. Doch überwindet seine schlanke, meist unverkünstelte Prosa in den besten Momenten Jahrtausende alte Mythen. Einer von uns wird Ödipus damit nicht, aber Wachheit für die großen Themen, den Widerspruch etwa, alles Wissen zu wollen und nichts damit ausrichten zu können, schafft Krakau durchaus.

Düsseldorfs Schauspielhaus zeigt eine Neufassung des Ödipus

Die 105 pausenlosen Minuten (90 wären ideal gewesen) sind ein bisschen sehr modisch geraten, es pulst nahezu permanent dunkler Club-Sound und die zwei beweglichen Neon-Riegel auf Ansgar Prüwers kahler Bühne kommen übers cool Dekorative selten hinaus. Doch es ist zugleich Raum für viele knappe, kurze Begegnungen. Allesamt Stationen des Mannes, der (unwissend, dass es Vater und Mutter sind) den Erzeuger umbringt und Iokaste heiratet, die ihm das Leben schenkte. Ob Un- oder Erkenntnis der größere Fluch ist, das lässt Krakaus „Ödipus“ elastisch offen, auch wenn er im Finale ins Publikum geht, zu fragen, wie wir leben wollen. Dieses Ende ist teils kitschig, in den besten Passagen nicht fern von den seelenkundigen Analysen Botho Strauß’.

Eher eine Uraufführung: Felix Krakaus Handschrift zeigt Potenzial

Bettina Engelhardts Iokaste ragt aus dem Ensemble heraus, in einem bannenden Spektrum von kaltschnäuziger Sachlichkeit bis zum in Scherben liegenden Furor. Markus Danzeisen adelt die Rolle des blinden Sehers als fragiler Schmerzensmann, drei Schauspielschüler entlocken den revueartigen Chor-Einlagen unwiderstehlichen Charme. Zu äußerlich, ja aufdringlich (bei herben Defiziten in der Lautung) formt Florian Steffens die Titelfigur.

Aufs Ganze ist der Abend mehr Uraufführung als Weiterdichtung. Krakaus Potenzial ist sehr respektabel, zur Hoffnung berechtigt es allemal.Termine dhaus.de