Düsseldorf. Deutsche Kolonialismus-Verbrechen und Shakespeare führt eine Inszenierung zusammen: „Othello“ hatte jetzt in Düsseldorf Premiere.

Sturm über Namibia. Der Sand nimmt den Soldaten die Sicht. Nur mühsam kommen sie voran. Es gilt, einen Aufstand in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika zerschlagen. Ein Auftrag für den verdienten Feldherrn Othello, dessen Schicksal sich hier erfüllen wird. Mit einem frisch inszenierten Shakespeare startete jetzt das Düsseldorfer Schauspielhaus in die neue Spielzeit. Die südafrikanische Regisseurin Lara Foot präsentiert uns einen etwas anderen „Othello“.

Schon zu Anfang zeigt sich, weshalb sie sich für eine bearbeitete Fassung entschieden hat. Wir erleben Senator Brabantio, den Vater Desdemonas. Als ihm zugetragen wird, dass seine Tochter den dunkelhäutigen Heerführer Othello heimlich geheiratet hat, ist er entsetzt. Da kann es sich um einen noch so hoch dekorierten Kriegshelden handeln. Für ihn ist die Ehe mit dem Fremden, dem Schwarzen, eine Katastrophe. Er sieht Desdemona entehrt und missbraucht.

„Othello“ in Düsseldorf blickt auf den deutschen Kolonialismus

Aus heutiger Sicht ist das Rassismus. Und das Stück in seiner ursprünglichen Form kaum mehr spielbar, befand Lara Foot, die den Hauptdarsteller Bongile Mantsai gleich mit an den Rhein gebracht hat. Sie lenkt den Blick nun auf den deutschen Kolonialismus in Südwestafrika. Am Ende wird Othello, den die Afrikaner hier „Ascari“, Verräter, nennen, sich auf seine Wurzeln besinnen. Das Ganze vollzieht sich in Deutsch, Englisch und Xhosa, was dem Abend Authentizität verleiht und dem Publikum wegen der Übertitelung erhöhte Aufmerksamkeit abverlangt.

Aber Lara Foot präsentiert auch Shakespeare. Es geht um Liebe, Hass, Wahrheit und Lüge, das ganze Welttheater. Der ehrbare Othello wird Opfer einer Intrige. Als er seinen Fähnrich Jago bei einer Beförderung übergeht, redet der ihm aus Rache ein, Desdemona würde ihn betrügen. Aufs Tiefste enttäuscht beschließt Othello, sie zu töten und richtet sich am Ende selbst.

Gut durchdacht, konsequent und stilsicher ist Lara Foots Inszenierung

Das Ensemble überzeugt, allen voran Bongile Mantsai, der den Titelhelden leise, aber glaubhaft spielt; ein frommer Mann, der Jago rückhaltlos vertraut und ihm deshalb in die Falle geht. Letzterer ist Wolfgang Michalek, der hier eher als schlitzohriger Komödiant mit reichlich Publikumskontakt agiert. Als seine Frau Emilia, Desdemonas Kammerfrau, bleibt Friederike Wagner als kluge Beobachterin im Gedächtnis. Selbstbewusst und kernig: Pauline Kästner in der Rolle der Desdemona. Im weiteren Verlauf des Abends, spätestens jedoch beim Lied von der Trauerweide, wird deutlich, dass auch viel Zartheit in ihr steckt.

Lara Foot inszeniert gut durchdacht, konsequent und stilsicher. Dabei braucht sie keine großen Modernismen, ihr „Othello“ kommt mit einfachsten Mitteln aus; aus Sand entsteht ein Wüstensturm, Stäbe formen das Zelt des Feldherrn. Holzkarren mit Rollen werden zum Soldatenlager, die rötlichen Stoffberge darauf zum roten Sand. Man kann die heiße Luft fast spüren. Und immer wieder senken sich Steine von der Decke herab, die die Landschaft darstellen können oder erloschene Sterne, die das Schicksal bestimmen.

Als sie am Ende auf die Bühne krachen, hat sich in Othello eine Wandlung vollzogen. Den Mord an Desdemona hat er verweigert und Jago überlassen - nun zieht er sich wie ein verwundetes Tier zurück. Der zweifelhafte Ruhm des Feldherrn scheint ihm nichts mehr zu bedeuten. – Starker Applaus im vollbesetzten Haus.