Kinostart für ein Jugenddrama in Hochglanzoptik, einen charmanten jungen Musikfilm und einen Gruselthriller mit klasse Stars und wenig sonst.
„Atlantide“
Sommerlicher Müßiggang in der Lagune von Venedig, junge Männer zerpflügen mit ihren Schnellbooten das Wasser, die Mädchen braten im Bikini in der Sonne. Einer fällt aus dem Rahmen. Daniele bleibt für sich. Seine Freundin Maila gibt ihm vor der Trennung noch eine alte Weisheit mit auf den Weg: „Wer langsam fährt, kommt weiter. Wer schnell fährt, kommt um.“ Daniele aber braucht Tempo, weil er schneller sein muss als die Polizei, denn er hat sich auf Drogenhandel verlegt. So kommt man schneller ans Ziel, da ist er sich sicher. Als er dafür auch den Codex der Motorjungs verletzt, ist sein Schicksal besiegelt.
Die Inseln Sant’Erasmo und San Francesco des Deserto liefern pittoreske Kulissen für einen künstlerischen Kraftakt, bei dem Regisseur Yuri Ancarani auch für Drehbuch, Kamera und Schnitt verantwortlich zeichnet. Sein Blick auf Menschen und Dinge, Bewegung und Ruhe ist künstlerisch fotografisch. Ob HighTech-Vergnügen in LED-illuminierten Booten oder karges Bauerndasein, wo das Unkraut noch von Hand gejätet wird, Ancarani ist befähigt, das Breitbildformat dekorativ zu füllen.
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Die Story spielt im visuellen Sturm und Drang nur zweite Geige. Die Jungs sind gefangen in Männlichkeitsposen ohne Grund. Sie wissen eben auch 70 Jahre nach James Dean nicht, was sie tun. Das Motorboot ist das Statussymbol. Ständig pluckern Techno-Beats oder Italo-Rapper Sick Luke beschwört Machoallüren. Jeder will es halt mit möglichst wenig Aufwand möglichst weit schaffen. Hat man alles schon gesehen, aber eben selten so schön.
Am Ende verschieben sich die Perspektiven, Venedig kippt ganz ohne Digitricks um 90 Grad. Ancarani zeigt viel, zu sagen hat er eher wenig. Zwanzig Minuten weniger wären deshalb besser gewesen.
„Orphan: First Kill“
Leena ist kein Kind, sie sieht nur so aus. In Wirklichkeit ist Leena 31, Opfer eines verringerten Körperwachstums und eine ruchlose Mörderin, die sich unter kindlicher Identität das Vertrauen fremder Familien erschleicht. Wer ihr auf die Schliche kommt, bezahlt mit dem Leben. Diesmal aber geht die Rechnung nicht auf, denn Leena kommt als Esther in eine Familie, in der auch nichts so ist, wie es auf den ersten Blick scheint.
13 Jahre nach der wahrlich sensationellen Pointe von Jaume Collet-Serras Schocker „Orphan“ schlüpfte Isabelle Fuhrman mit 24 noch einmal in die einstige Kultrolle, was sich angesichts des fertigen Films als keine gute Idee erweist.
Fuhrman und ihre Filmgegnerin Julia Stiles sind beide schön und charismatisch, aber das ist weitgehend bedeutungslos, wenn Drehbuch und Regie mit aufreizender Einfallsarmut nur auf Genreklischees zielen, weil das den Erwartungen eines Publikums zuspielt, das frustrierenderweise Überraschungen umso mehr zu schätzen weiß, je absehbarer diese stattfinden. Es sagt viel über Filmemacher, wenn sie profundes Potenzial so leichtfertig an den schnellen Dollar verschleudern.
„Alle für Ella“
Die junge Ella hat es nicht leicht. Das Abi steht bevor – wenn die anderen sich treffen, jobbt sie in einer Pizzeria oder geht putzen. Ihre Mutter ist alleinerziehend und muss jeden Cent umdrehen. Ein Lichtblick ist die Musik, die Ella über alles liebt. Als sie sich mit ihrer Mädels-Band „Virginia Woolfpack“ bei einem Song Contest anmeldet, blitzt Hoffnung auf.
Mit „Alle für Ella“ legt Regisseurin Teresa Hoerl eine romantische deutsche Musikkomödie mit viel Charme und deutscher Popmusik vor. In der Hauptrolle des modernen Aschenputtelmärchens spielt Lina Larissa Strahl, die „Bibi und Tina“ damit nun auch hochoffiziell entwachsen ist. Jetzt also ein frischer, unterhaltsamer Jugendfilm samt dazugehörigem Denglisch („Fame ist voll vain, Sweetie“).
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Ellas Geschichte macht Spaß. Das musikalische Band-Quartett, das sie mit ihren Freundinnen Anaïs (Safira Robens), Romy (Malene Becker), Cahide (Tijan Marei) spielt und musiziert mit Talent und Verve. Und die junge Ella ist eine Sympathieträgerin schlechthin.
Doch vor dem großen Auftritt gilt es, Berge zu versetzen. Da gelingt es grade noch, einen Übungsraum zu organisieren - dafür ist die schuleigene Gitarre ausgeliehen und Ella muss auf einer albernen Ukulele spielen. Als sie beim Putzen in einer schicken Wohnung den Rapper Leon kennenlernt (Gustav Schmidt), leiht er ihr seine Gitarre. Im Gegenzug singt sie für ihn einen Refrain ein, nicht ahnend, dass sie das beim Contest in schwere Gewissensnöte bringen wird. Denn dort tritt er als Favorit gegen die Mädchenband an. Klar, dass sich trotzdem eine Liebesgeschichte entwickelt.
Natürlich wird das Kino mit Ella nicht neu erfunden, aber ihre Geschichte ist unterhaltsam, die Chemie zwischen den Darstellerinnen stimmt (Lavinia Wilson, Milan Peschel spielen in Nebenrollen) und die Songs gehen ins Ohr. Also: Viel Glück für Ella und den Sommer ihres Lebens!