Bochum. . Hoffnungslos überladen, dazu weit entfernt vom Ziel der Intendantin, Publikum zu gewinnen. Unsere Kritik zu „Haus“ bei der Ruhrtriennale 2022.

Der Ehrgeiz der Intendantin Barbara Frey in allen Ehren: Mit den Musiktheaterproduktionen dieses Jahres scheint die Ruhrtriennale jedoch den letzten Rest an Bodenhaftung zu verlieren, den selbst noch die anspruchsvollsten Vorgänger Freys von Gerard Mortier bis Heiner Goebbels bewahrt haben. Die szenische Uraufführung von Sarah Nemtsovs Instrumentalkomposition „Haus“ in der Turbinenhalle der Bochumer Jahrhunderthalle steigert den bereits abgehobenen Anspruch der Eröffnungsproduktion „Ich geh unter lauter Schatten“ zu einer konzeptionell völlig überfrachteten multimedialen Melange.

Die Idee, ein Haus für eine musiktheatralische Raumperformance zu nutzen und alle Winkel und Nischen der noch mit alten Turbinen und diversen Aggregaten bestückten Halle musikalisch und visuell zu füllen, kann reizvoll sein. Die Komponistin, die nichtbinäre Regisseurin Heinrich Horwitz sowie die Videokünstlerin Rosa Wernecke investierten auch viel Fantasie und Arbeit in die zweistündige Produktion.

„Haus“ in Bochum wird geschwächt durch ein völlig überfrachtetes Konzept

In der Tat bleiben etliche Bilder und optische, oft bizarr märchenhaft angehauchte Effekte Rosa Werneckes haften. Die Verknüpfung mit den in den letzten zehn Jahren entstandenen Kammermusikwerken Sarah Nemtsovs gelang dagegen weit weniger überzeugend. In einer halbstündigen Eingangsphase können die Besucher die Halle durchwandern und die aus allen Ecken teils elektronisch, teils live erklingenden Stücke für Flöte, Bassklarinette, Harfe, Keyboard und Schlagzeug auf sich wirken lassen. Musik mit einem hohen geräuschhaften Anteil.

Im Hauptteil nimmt das Publikum auf einer Tribüne Platz, während ihm zwei fest installierte Instrumentalgruppen nebst einem Schlagzeuger nur noch einen licht- und videotechnisch angereicherten Konzertvortrag bieten. Wobei die begrenzte kompositorische und szenische Substanz bei weitem nicht ausreicht, um damit anderthalb Stunden einigermaßen anregend füllen zu können.

Kaum etwas ist nachvollziehbar von den Botschaften der Regie

Wenig hilfreich sind die im Programmtext formulierten Versuche der Regie von Heinrich Horwitz, das alles mit feministischen Botschaften zur Gender-Thematik zu verknüpfen. Wovon sich in der Performance, von ein paar skurrilen Kostümteilen abgesehen, nicht das Geringste nachvollziehen lässt. Die sechs instrumentalen Performer führen Nemtsovs komplexe, in der Fülle jedoch deutlich zu lang geratene Werke mit beeindruckender Souveränität und stabiler Kondition aus.

Barbara Freys Ruhrtriennale mit übersteigerten Ansprüchen, fern vom Publikum

Den konzeptionellen Fehler, die Performance als zweistündiges Musiktheater zu präsentieren und nicht als begehbare Raum-Klang-Installation oder visuell angereichertes Konzert, können auch sie nicht korrigieren.

Ein aufwändiges, ehrgeiziges Projekt, das letztlich an den übersteigerten Ansprüchen der Macher scheitert und Barbara Freys erklärter Absicht, neue und breitere Publikumsschichten für die Ruhrtriennale zu erwärmen, nicht dienlich sein dürfte.

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TERMINE
„Haus“: Die nächsten Aufführungen in der Jahrhunderthalle Bochum: am 2., 3., 4. und 7. September, um jeweils 20 Uhr. Dauer: ca. zwei Stunden. Der Abend ist ohne Pause. Mehr Infos und Tickets über www.ruhrtriennale.de