Köln. Berückend, elektrisierend, ergreifend. Sunrise Avenue bescherten rund 15.000 Fans in der Kölner Arena einen Abschiedsabend der Extraklasse.
2002 ging auf Skandinaviens Bühnen elf Mal die Sonne auf. Zehnmal zu viel, dachte sich Samu Haber und fügte dem inflationär vorkommenden Namen seiner gerade mit Kumpel Jan Hohenthal gegründeten Band „Sunrise“ noch eine Straßenbezeichnung hinzu. Hohenthal quittierte noch im gleichen Jahr den Dienst, aber Sunrise Avenue blieben. 20 Jahre lang. Nun haben sich die Finnen verabschiedet. Auf „Thank You For Everything – The Final Tour“ spielten sie am Dienstag in Köln.
Für 15.000 Fans in der ausverkauften Lanxess-Arena in Köln war es ein Abend der Extraklasse: Beglückend, elektrisierend, ergreifend. Und, 141 Minuten lang, etwas ganz Besonderes. Auch für Sunrise Avenue. „2006 hatten wir unser erstes Konzert in Deutschland und außerhalb von Finnland, das war im Underground Club in Köln“, sagt Sänger Samu Haber, „da brannte die Luft. Den Club gibt es nicht mehr. Das ist eine Schande!“
2007 nimmt die Band im Kölner E-Werk Material für die Live-DVD zum Debütalbum „On the Way to Wonderland“ auf, im späteren Verlauf des Abschiedskonzerts wird sich Haber sogar dazu hinreißen lassen auszurufen: „Ich möchte nach Köln ziehen. Ich bin so verliebt in das Belgische Viertel, die Menschen, die Kneipen, die Atmosphäre dort.“
Samu Haber plant künftig eine Solokarriere in Finnland
Tatsächlich plant der 46-Jährige eine Solokarriere in Finnland, will wieder in der Sprache seiner Heimat singen. Aber ein bisschen Wehmut ist schon dabei. Wenn Haber nach der letzten Zugabe „Hollywood Hills“ ganz alleine, ganz vorne an der Bühne steht, den Blick nach rechts und nach links wandern lässt, die voll besetzten Ränge hinauf, über die jubelnden Menschen im Innenraum hinweg – und dann den Kopf schüttelt. So, als würde er denken: „Ich kann es nicht glauben. Dass das wirklich das Ende sein soll.“
Ihren Untergang zelebriert die Sonnenaufgangsallee formvollendet. Angefangen von den Silhouetten, die vor Showbeginn vor rotem Hintergrund zu sehen sind und die fünf Musiker zeigen, wie sie sich ihre Jacken überwerfen. So als wären es Rüstungen und sie zögen in ihren letzten Kampf: „Tonight is the night we won’t go back. There is no tomorrow, here and now together with you. Raise your hands for one last time, this is the end”. Bis hin zum letzten Stück vor dem Zugabenteil, „Nothing Is Over“. In dem genau das Gegenteil behauptet wird.
Die Bierverkäufer hätten diesmal auf Taschentücher umsatteln sollen
Geradezu beschwörend singt das Publikum „Say nothing is over“. Würden die Bierverkäufer jetzt auf Taschentücher umsatteln, wäre das das Geschäft ihres Lebens. Das bei „Hollywood Hills“ neuerlichen Aufschwung erführe. Weil das zwar, definitiv, ein Abschiedslied ist. Aber die Zeile „I’m gonna come back to walk these streets again“ ein letzter Strohhalm im Meer der Tränen.
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Mit ihrem Mix aus rockigen, teils von keltischen Weisen inspirierten Krachern wie „Point of no Return“ und gefühlvollen Balladen, wobei die allerberühmteste „Fairytale Gone Bad“ natürlich nicht fehlen darf, bieten Sunrise Avenue genau das, was 15.000 Menschen bestellt hatten. Auch wenn sie darauf, wegen Corona, zwei Jahre lang warten mussten.
Und noch eine Liebeserklärung an die Domstadt
Haber, jetzt mit schulterlanger blonder Surfer-Frisur, ist top in Form und bei Stimme. Ein 1,93 Meter großer, attraktiv gereifter Sehnsuchtstraum, von dem man nur zu gerne glauben würde „Forever Yours“. Mit warmem, sonoren Timbre gesteht er „I just need a little bit Love“, um das zum Aufschrei „And it makes me crazy how I need you baby“ zu steigern. Und er schaut dazwischen immer so lieb-verschmitzt, dass man ihn auf der Stelle knuddeln möchte.
Überraschend erhalten Haber, Bassist Paul Rutuu, Drummer Sami Osala, Keyboarder Osmo Ikonen und Lead-Gitarrist Riku Rajamaa im Zugabenteil Verstärkung. Erz-Lead-Gitarrist Janne Kärkkäinen, der 2007 im Streit ging („Da haben sich Grüfte aufgetan, da war von beiden Seiten viel Hass im Spiel“) ist wieder mit an Bord. Wenn auch nur für die Dauer von knapp 25 Minuten. Die eine weitere Liebeserklärung an die Domstadt sind: „Ich habe Janne gefragt: wo in Deutschland möchtest du spielen. Er hat gesagt: ,In Köln.’“