Oberhausen. Eine Intendanz aus Höhen und Tiefen. „Abschiedsfreude, Abschiedsschmerz“ spürt Florian Fiedler, der fünf Jahre lang Oberhausens Theater leitete.
Als Florian Fiedler 2017 Oberhausens Schauspiel übernahm, war er mit 40 Jahren der Benjamin unter den Intendanten des Reviers. Seine Zeit erlebte Höhen und Tiefen, verlängert wurde Fiedlers Vertrag nicht. Lars von der Gönna traf ihn zum Abschiedsinterview – es reichte vom T-Shirt bis zum Trennungsschmerz.
Bei unserer ersten Begegnung trugen Sie ein Geschenk Ihrer Schwester: es war ein „Oberhausen“-T-Shirt. Haben sie das noch?
Florian Fiedler: Das T-Shirt hab’ ich noch, ist mir aber ein bisschen zu weit geworden. Ich habe während der Pandemie etwas abgenommen.
Dennoch: Wie würde es sich heute anfühlen, es zu tragen? Nun, da Sie nicht verlängert worden sind...
Das wären sehr viele Gefühle auf einmal. Einerseits bin ich sehr froh, den Job loszuwerden, weil er unglaublich viel Kraft kostet. Zumal der Anteil der Arbeit, die keinen Spaß macht, sich in der Corona-Zeit verzehnfacht hat.
Erleichterung ist das eine...
Es sind so viele gute und weniger gute Gefühle, dass ich das T-Shirt gerade vielleicht gar nicht anziehen würde. Abschiedsschmerz, Abschiedsfreude, Erleichterung, Stolz auf das, was wir geschafft haben, aber auch das Nachdenken über Gescheitertes und das, wo Dinge besser hätten gelingen können.
Sie haben eine heiße Zeit hinter sich, Kämpfe im eigenen Haus, dann eine Nichtverlängerung durch die Politik. Könnte Florian Fiedler einen Ratgeber schreiben?: „Was man unbedingt beachten sollte, wenn man Intendant in Oberhausen werden und es auch bleiben möchte?“
(lacht) Ich hab’ tatsächlich überlegt, aber ich denke, die spannendsten Stellen müsste ich wahrscheinlich eh weglassen, speziell die über den Kulturausschuss von Oberhausen. Im Ernst: Da ist sicher einiges reformbedürftig. Dass da ein Gremium ein Theater kontrollieren soll, von denen mehr Teilnehmer*innen als es gut wäre gar nicht ins Theater gehen – auch schon bei meinem Vorgänger –, ist schon bizarr.
Andere Kollegen fahren gut damit...
Klar, das kann man sich zunutze machen. Wenn dann noch in der Zeitung steht, dass alles super ist, ist die Lokalpolitik zufrieden.
Ich könnte gut verstehen, wenn Sie wütend sind. Ist so ein Ende einer Arbeitsbeziehung nicht doch ein bisschen wie eine scheiternde Paarbeziehung?: Der, der Schluss macht, ist eher obenauf...
Ich will solche Gefühle nicht abstreiten. Aber, wie gesagt, haben die besonders mit dem Nicht-Wahrnehmen meiner Arbeit zu tun. Verletzend fand ich, dass Teile der Politik unsere Art Theater abgeurteilt haben, ohne mit mir darüber zu reden. Es wurde ein Mythos gebastelt: „Der macht ein Theater, das niemand sehen will.“
Aber es gab ja nun mal schwach besuchte Vorstellungen...
Die gab es, aber von „Peer Gynt“ bis aktuell „Transit“ richtige Erfolge.
Ist das nicht etwas zu einfach, es eine Legende zu nennen, dass Sie nicht erfolgreich waren?
So einfach würde ich es nicht sagen. Aber so wie die Wahrnehmung gegen mich gestrickt worden ist, ist es eine Legende. Fakt ist: Wir waren in den ersten zwei Spielzeiten gerade mal drei Prozent schlechter besucht, als mein Vorgänger im Vergleichszeitraum. Trotzdem: Klar, hätte ich mir höheren Zuspruch gewünscht – aber auch mehr Geduld von der Lokalpolitik.
Es gibt Mitarbeiter, die sagen: „Fiedlers theaterinterner Anti-Rassismus-Feldzug hat uns geschadet.“ Es bleibe ein „Riss durchs Ensemble“.
Der Riss bestand schon vorher. Er ging auch nicht durchs Ensemble, sondern durch das Haus und hat aus meiner Sicht mit dem langjährigen Machtkampf zwischen Verwaltung und Intendanz zu tun, der zeitweilig vertieft und vor allem deutlicher sicht- und spürbar wurde. Das alles auf die Rassismus-Debatte zu schieben, ist sehr vereinfacht und unfair. Trotzdem würde ich das Thema heute ganz anders anfassen.
Auch Ihr Antritts-Credo, vieles basisdemokratisch im Kollektiv anzufassen, ließ sich nur bedingt umsetzen...
Ich habe das Wort basisdemokratisch nie verwendet. Ich wollte die künstlerische Leitung als eine gemeinsame Aufgabe begreifen. Das hat nur zum Teil funktioniert, auch weil mir vorher nicht so klar war, auf welche Machtstrukturen wir hier treffen. Da war ich sicher etwas naiv. Würde ich diesen Job noch mal machen, würde ich vorher viel genauer wissen und klären wollen: „Wer entscheidet hier eigentlich was?“
Apropos: Möchten Sie wieder Intendant werden? Selbst große Kollegen wie Peter Zadek haben erkannt, dass es einfach nicht der richtige Job war...
Jein. Ich will erstmal meine Ruhe haben und inszenieren (lacht). Es hat schon was Tolles, ein Haus zu leiten, zu gestalten, Strukturen zu verändern. Aber es ist eben auch wahnsinnig belastend, und es treibt einen sehr weg von der Kunst. Als Regisseur habe ich mich in dieser Intendanten- Zeit etwas vernachlässigt. Ich freue mich auf die Zeit, wo ich mich allein um Regie kümmern kann.
Was macht ein Ex-Intendant zuerst?
In den Urlaub fahren, nach Frankreich! Und dann einfach nur Zeit für meine Kinder haben, für meine Familie. Dem Theater Oberhausen wünsche ich alles Gute! Es ist ein schönes Theater.
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WIE GEHT ES WEITER?
Der gebürtige Hamburger Florian Fiedler war Leiter am „Jungen Schauspiel Hannover“, ehe 2017 der Ruf nach Oberhausen kam. In Hannover wird Fiedler auch seine nächste Inszenierung auf die Bühne bringen: „Mio, mein Mio“ nach Astrid Lindgren.
Vorerst bleibt Fiedler in der Region beheimatet. Ob er langfristig als Bürger Bochums mit seiner Familie im Ruhrgebiet bleiben werde, sei dann „eine Frage der nächsten Festanstellung“, so der Theatermacher.
Nachfolgerin Fiedlers in Oberhausen wird Kathrin Mädler, die neue Intendantin des Stadttheaters war zuvor Chefin des Landestheaters Schwaben mit Sitz in Memmingen.