Bayreuth. Die Buhs für den neuen „Ring“ wurden in der „Walküre“ und im „Siegfried“ noch heftiger. Und sie gelten nicht nur dem Regisseur Valentin Schwarz.

Die Buh-Attacken auf den bisher noch nicht vor den Vorhang getretenen Regisseur des neuen Bayreuther „Rings“ nahmen nach den Premieren der „Walküre“ und des „Siegfried“ an Aggressivität zu. Ebenso wie die szenischen Absurditäten und Ungereimtheiten der konzeptionell und handwerklich an Dilettantismus grenzenden Inszenierung des Österreichers Valentin Schwarz. Wobei die zu erwartenden Proteststürme nach der finalen „Götterdämmerung“ zu einem gleich großen Anteil Katharina Wagner gelten dürften, die mit der Verpflichtung von Schwarz einen jungen, mit größeren Opernprojekten wenig erfahrenen und mit dieser Herkulesaufgabe völlig überforderten Mann ins offene Messer laufen lässt.

Es ist eine eigene Familien-Saga, die sich Schwarz zusammen dichtete. Man kann der insgesamt mangelhaften Textverständlichkeit der Aufführungen fast dankbar sein, wenn man nicht in jeder Sekunde daran erinnert wird, dass sich auf der Bühne etwas ganz anderes und viel Banaleres, fernab von jeder Atmosphäre oder Magie abspielt als es das Libretto und die Musik mit ihrer großen visionären und zeitlos aktuellen Strahlkraft ausdrücken.

Valentin Schwarz verbannt zentrale Symbole wie Weltesche, Ring und Schwert

Als Hemmschuh erweist sich Schwarz‘ Scheu vor der Symbolik des „Rings“. Ring, Gold, Schwert, Speer, Weltesche und Feuer kommen bei ihm nicht vor. Selbst der eigenwillige Frank Castorf erkannte in seiner letzten Bayreuther Produktion, dass die Symbole für die Kernbotschaft des Werks so wichtig sind wie die Leitmotive in der Partitur. Dass Brünnhilde bei Schwarz am Ende nicht auf dem Walküren-Felsen in Schlaf gebannt und durch ein Feuer vor unbefugten Freiern beschützt wird, überrascht unter diesen Vorzeichen nicht im Geringsten. Brünnhilde verabschiedet sich klammheimlich und muss ohne Feuerschutz von der Bühne abtreten. Auf der leeren Bühne prostet Wotans Gattin Fricka dem unterlegenen Göttervater zufrieden zu. Stößchen!

Wunder gibt es trotzdem. Immerhin fuchtelt Siegfried plötzlich mit einem aus dem Nichts auftauchenden Schwert herum, obwohl in der „Walküre“ das (nicht vorhandene) Schwert nicht aus der (nicht vorhandenen) Weltesche gezogen werden konnte und durch eine mickrige Pistole ersetzt wurde. Brünnhilde taucht nach ihrem in der „Walküre“ ausgefallenen Schlaf wie eine einbandagierte Mumie auf und darf die Welt und ihre Liebe zu Siegfried teilweise aus dem von Schwarz liebgewonnenen linken Bühnen-Off singen.

Daniela Köhler als Brünnhilde bot eine Bestleistung

Dabei bot Daniela Köhler mit ihrem leuchtenden, kaum angestrengten Sopran als Brünnhilde neben der Erda von Okka von der Damerau die beste vokale Leistung im „Siegfried“. Dass sie textverständlicher sang als der Wotan von Tomasz Konieczny, spricht nicht gerade für das Gesamtniveau des Abends. Andreas Schager als ungestümer junger Siegfried beeindruckte durch seine grenzenlose stimmliche Kraft, ließ es aber an differenzierten Zwischentönen mangeln. Und Arnold Bezuyen blieb der komplexen Partie des Mime zu viel an Feinheiten schuldig.

Klaus Florian Vogt sang textverständlich, Lise Davidsen brillierte mit ihrem Sopran

Die „Walküre“ retteten drei herausragende Sängerleistungen. Dazu gehören Lise Davidsen als Sieglinde mit ihrer riesigen, dennoch völlig entspannten und kerngesunden Sopranstimme, Klaus Florian Vogt, der als Siegmund bewies, dass man auch Wagner textverständlich singen kann, und der immer zuverlässige und in Hochform auflaufende Georg Zeppenfeld als Hunding.

Cornelius Meister brachte am Pult des Festspielorchesters die Aufführungen ordentlich durch die fast sechsstündigen Abende. Eine genauere Analyse folgt nach der „Götterdämmerung“.