Weder neu noch erschöpfend: Bayreuths neues „Rheingold“ wird als Story einer verkommenen Herrschersippe gedeutet. So eröffnete der „Ring“.

Bayreuth Neuinszenierungen von Richard Wagners Mammut-Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ kann und sollte man nicht vor der „Götterdämmerung“ umjubeln oder verdammen. Auch nicht Valentin Schwarz‘ Deutung, die nach zweijähriger Verzögerung endlich im Bayreuther Festspielhaus ihre Premiere erleben durfte. Begeisterung und heftige Buh-Rufe nach dem „Rheingold“ deuten allerdings eine widersprüchliche Aufnahme des neuen „Rings“ an.

Viel Neues wurde versprochen. Dabei schließt sich Schwarz lediglich dem problematischen Trend an, den „Ring“ als Familien-Saga einer korrupten arroganten Mischpoke zu sehen. Das führte bereits in Dietrich Hilsdorfs aktuellem „Ring“ in Düsseldorf zu einer Verkürzung der visionären Botschaft des Werks und ähnliches deutet sich im entstehenden „Ring“ von Peter Konwitschny in Dortmund an.

Valentin Schwarz inszeniert in Bayreuth den „Ring des Nibelungen“

Valentin Schwarz treibt diese letztlich banalisierende Lesart auf die Spitze. Für Wagners Warnung vor einem empathielosen Materialismus, verbunden mit einer rücksichtslosen Zerstörung der Natur, bleibt da kein Platz. Es gibt nicht einmal einen Ring als Zeichen einer bewusst lieblosen Weltherrschaft. Den Hort, also der Schatz des Rheingolds, aus dem der begehrte Ring geschmiedet werden müsste, bildet bei Schwarz eine Kinderhorde, die von den als Kindermädchen auftretenden Rheintöchtern mehr schlecht als recht behütet wird und von dem ungeschlachten Nachtalben Alberich entführt wird. Der Kampf zwischen dem proletenhaften Alberich-Clan und der Schicki-Micki-Sippe Wotans in deren eleganter, aber nüchterner Luxus-Maisonette entspinnt sich um diese Kinderschar, in der sich offenbar bereits der grimme Hagen und die kleine Brünnhilde tummeln. Putzmunter, auch wenn sie erst im Verlauf der Tetralogie gezeugt werden.

Viel Banales weist die Inszenierung von „Das Rheingold“ in Bayreuth auf

Dieser biologische Unsinn stellt das einzige „Wunder“ der Neuinszenierung dar. Alles Märchenhafte und vor allem politisch Visionäre bleibt ausgespart. Angesichts dieses Familien-Knatschs bedarf es eigentlich keiner „Götterdämmerung“ mehr, um die Welt durch Feuer und Wasser vom Fluch der verhängnisvollen Machtgier erlösen zu müssen. Ärgerlich schlagen sich die handwerklichen Mängel der Inszenierung nieder, wenn wichtige Szenen, wie etwa Alberichs Verfluchung des (nicht vorhandenen) Rings, ins linke Bühnen-Aus gerückt werden und von einem Viertel des Publikums lediglich akustisch wahrgenommen werden können. Auch wenn Schwarz die Kindertruppe noch so munter Alberich nassspritzen lässt.

Sänger im „Rheingold“ auf gediegenem Niveau, aber selten spitze

Die Charakterisierung der Figuren bleibt entweder blass oder er bedient sich längst überholter Klischees. Das schlägt sich auf die Gesangsleistungen nieder, wenn etwa Arnold Bezuyen den Mime mehr karikiert als aussingt. Der Wotan von Egils Silins begnügt sich mit einem gleichförmigen, von sozialer Überlegenheit getragenem Vortragsstil, die Hintergründigkeit Loges kann Daniel Kirch nur andeuten und auch der heftig bejubelte Olafur Sigurdarson setzt zu einseitig auf grimmige Aggressivität. Einen vokalen Lichtblick beschert Okka von der Damerau als Erda, der Rest bewegt sich auf gediegenem Niveau.

Bleibt das Dirigat des Bayreuth-Debütanten Cornelius Meister, der kurzfristig für den erkrankten Pietari Inkinen einspringen musste. Wie sein Kollege Markus Poschner im „Tristan“ kam er mit den heiklen akustischen Bedingungen des Festspielhauses recht gut zurecht, Allerdings bedürfen die Klangbalance, die Abstimmung mit den Sängern, die Dynamik und die Tempo-Relationen noch etlicher Korrekturen. Auch das unentschlossene Verhältnis von frischem Zugriff und betonhartem Pathos verhindert noch ein ausgeglichene Interpretation. Begeisterter Beifall für die musikalische Crew. Die Buh-Rufe richteten sich offenbar gegen den Regisseur, der sich aber erst nach der „Götterdämmerung“ dem Publikum stellen wird.