Essen. Für Peter Brook sollte Theater kritisieren und Mut machen zugleich. Dafür entwickelte der Jahrhundert-Regisseur eine eigene Sprach auf der Bühne.

„Das Großartige am Theater ist, dass am Ende des Abends ein paar wenige Leute mit ein bisschen mehr Mut nach Hause gehen“, sagte Peter Brook 2004 anlässlich seiner Uraufführung „Tierno Bokar“ bei der Ruhrtriennale, „mehr kann es nicht erreichen.“ Brook, der als Sohn lettischer Einwanderer 1925 in London zur Welt kam, war das Theater immer ein dialektischer Ort – eines, das den Menschen Ideale predigt, genügte ihm genauso wenig wie jenes, das den Menschen die Realität um die Ohren haut. Brook hatte in den Inszenierungen von Bert Brecht viel Freude gesehen, die ihm das Fundament alles Kritischen darin war.

In den 40er-Jahren begann seine jahrzehntelange Regie-Karriere, die ihn später auch mehrfach zu den Ruhrfestspielen führte, zuletzt 2019 mit „The Prisoner“. Peter Brook, dessen Shakespeare-Inszenierungen neue Standards setzten, dessen „Maß für Maß“ Anfang der 50er-Jahre auch in Deutschland auf Tournee ging, wuchs als Vorläufer und Miterfinder des Regie-Theaters immer mehr über sich hinaus. Bereits 1969 erschien das, was nicht erst jetzt als sein Vermächtnis gelten kann: „Der leere Raum“, der mit seiner Minimalanforderung eines Menschen, der hindurchgeht, während jemand anderer ihm dabei zuschaut, zum Urgrund des Theaters vordrang und zur Bibel für Brooks ureigene Ästhetik wurde. Und theoretisch flankierte, was bei ihm zeitweise in radikale Bühnenbildlosigkeit mündete.

Shakespeare und Sanskrit, Marlowe, Beckett und George Bernard Shaw...

Seine eigenwilligen Klassiker-Inszenierungen von Marlowe bis Beckett, aber auch das neunstündige Sans­krit-Epos „Le Mahabharata“ sorgten international für Furore. Brook inszenierte auch Opern – und führte Regie in Filmen fürs Fernsehen und fürs Kino. Anfang der 70er-Jahre entwickelte er mit „Orghast“ eine eigene, allein auf den Ausdruck zielende Theatersprache, die es ihm ermöglichte, auf Bühnendekor weitgehend zu verzichten. Das von ihm in seiner Wahlheimat Paris gegründete Zentrum für Theater-Recherche ging über in das Théâtre des Bouffes du Nord.

Nun ist Peter Brook, der mit der Schauspielerin Natasha Parry bis zu deren Tod im Jahr 2015 verheiratet war, am Samstag mit 97 Jahren gestorben. Er, der so viele Regisseure nach ihm beeinflusst hat, ist auf seine Weise einzigartig geblieben, Theatermensch durch und durch bis zum Schluss.