Recklinghausen. . Vom 1. Mai bis zum 9. Juni laufen die ersten Ruhrfestspiele des neuen Intendanten. Der Kartenverkauf beginnt am 1. Februar, und manches ist neu
„Im Mai kommt die Welt vorbei“, ist in Recklinghausen allerorten plakatiert, und nachdem es mit einer Wiederkehr von Cate Blanchett nicht geklappt hat, heißt der Hollywood-Star der Ruhrfestspiele in diesem Jahr jetzt eben Martin Wuttke. Denn er kommt in jener „Arturo Ui“-Inszenierung von Heiner Müller am Berliner Ensemble, die zwar schon 24 Jahre auf dem Buckel hat, aber dazu führte, dass Quentin Tarantino in seinen „Inglourious Bastards“ Wuttke die Hitler-Rolle spielen ließ.
Ansonsten werden die ersten Ruhrfestspiele des neuen Intendanten Olaf Kröck aber experimentierfreudiger, internationaler und vor allem politischer als in den vergangenen Jahren. Nicht von ungefähr lautet das Motto der 90 Produktionen mit insgesamt 210 Vorstellungen „Poesie und Politik“ – „die Sehnsucht nach einfachen Antworten ist eine Gefahr für unsere Zeit“, sagte Kröck, „wir wollen zeigen, dass man Komplexität und Widersprüche aushalten kann.“
Maria Schrader in „Wer hat Angst vor Virginia Woolf?“
Da kommt dann also junges Theater aus Namibia, da ist Tanztheater aus dem Libanon (gleich zur Eröffnung am 3. Mai, nach einer erstmals stattfindenden Festspielrede, die Literatur-Shootingstar Judith Schalansky halten wird) und da ist Musik aus der Ukraine mit den Dakh Daughters und das einstige Fringe-Festival, das jetzt „Neuer Zirkus“ heißt.
Die Ruhrfestspiele, betonte Olaf Kröck gestern in Weste und weißem Hemd bei der Programmvorstellung, sollen aber schwerpunktmäßig ein Theaterfestival bleiben. So kommt die furiose „Wer hat Angst vor Virgina Woolf“-Inszenierung mit Maria Schrader vom Deutschen Schauspielhaus in Hamburg (Kröck: „ein Fest der Schauspielkunst!“) auf den Grünen Hügel von Recklinghausen und mit „The Prisoner“ das aktuelle Stück der 94-jährigen Theaterlegende Peter Brook, auf dessen leibhaftigen Besuch man in Recklinghausen hofft.
Ivo van Hove, Roberto Ciulli und DJ Mogwai
Es gibt mit „Ein wenig Leben“ ein Gastspiel des niederländischen Regie-Stars Ivo van Hove und die Uraufführung „Das Heerlager der Heiligen“, die Hermann Schmidt-Rahmer inszeniert und von einer Massenflucht von Armen aus Indien an die französische Küste handelt – nach einem Roman von 1973. Roberto Ciulli zeigt seine drei Theater-an-der-Ruhr-Inszenierungen „Immer noch Sturm“, „ Clowns 2 ½“ sowie Othello“; das neue „Tatort“-Gesicht Roland Riebeling gibt drei Abende lang Patrick Süskinds „Kontrabass“ und am Puls der Zeit die Uraufführung „Hochdeutschland“ nach dem Roman von Alexander Schimmelbusch aus den Münchner Kammerspielen.
Die erste Schauspiel-Produktion wird am 4. Mai auf dem Rathausplatz über den Laufsteg gehen: 100 ausgewählte Recklinghäuser wandeln über den Catwalk und werden vorgestellt unter dem Titel „What Is The City but the People“ – was ist die Stadt denn anderes als die Leute? Dazu gibt es Musik von DJ Mogwai.
Denis Scheck, Herta Müller, Louis Begley, Dietmar Bär
Das Tanztheater soll in Kröcks Auftaktsaison mehr Raum bekommen, und die Spanne reicht vom Folkwang Tanzstudio bis zur den surreal-bildstarken Szenenfolgen eines Dimitris Papaiannou („The Great Tamer“). Es gibt noch mehr Kinder- und Jugendtheater (unter anderem mit der „Faust“-prämierten Inszenierung „Lindbergh“ von Martina van Boxen), es gibt Musik mit der Neuen Philharmonie Westfalen, die einen „Skandale!“-Abend mit Musik von Wagner, Alban Berg und Bruckner spielt, und der Vokalartistik-Truppe Slixs.
Im Kabarett gastieren neben Arrivierten wie René Steinberg, Wilfried Schmickler oder Wladimir Kaminer auch hörenswerte Newcomer wie Chin Meyer. In Sachen Literatur spricht Denis Scheck mit den Jahrhundertzeugen Herta Müller, Georg Stefan Troller und Louis Begley, bei Lese-Abenden sind Lina Beckmann und Charly Hübner zu Gast, Wolfram Koch kommt wieder mit einem Tschechow-Programm, Dietmar Bär liest Joseph Roth und WortLautRuhr gastiert mit einem „Best of Poetry Slam“.
Sandra Hüller mit Hauschka – und Lars Eidinger als DJ
Beim Eröffnungs-Volksfest bleibt es, aber vieles ist neu bei den Ruhrfestspielen Jahrgang 2019, die nach dem Rückzug von Evonik als Hauptsponsor bekanntlich mit einer Million Euro weniger auskommen müssen. Das Programmbuch hat ein neues Format und ist nach Genres wie „Schauspiel“, „Musik“, „Kabarett“ und „Tanz“ geordnet, und auch die Internet-Seite des Festivals ist übersichtlicher und bedienungsfreundlicher geworden. Die Preisstruktur hat man vereinfacht, aber die Kartenpreise wurden nicht erhöht. Es gibt ein einfaches Ermäßigungs-System (50 Prozent für Schüler und Studenten, Azubis, Arbeitslose und Freiwillige).
Ein großes Rockpop-Abschlusskonzert wird es, anders als in der Vergangenheit, in diesem Jahr nicht zuletzt aus Kostengründen nicht geben – aber eine Abschlussparty am 9. Juni, bei der Deutschlands neuer Bravo-Starschnitt-Held Lars Eidinger groß als DJ aufspielen wird. Und mit einer ungeahnten Musik-Begegnung kommt dann doch noch ein bisschen Hollywood nach Deutschland: Die Schauspielerin Sandra Hüller und der Musiker Hauschka, die vor zwei Jahren beide für einen Oscar nominiert waren, spielen am 29. Mai ein gemeinsames Konzert.
Der Kartenvorverkauf ab 1. Februar
Der Kartenvorverkauf der Ruhrfestspiele beginnt am 1. Februar, die Telefonleitung (02361 / 9218-0) ist geschaltet: Mo-Fr 9-19 Uhr, Do bis 20 Uhr, Sa 10-18 Uhr, So 12-18 Uhr. Online über www.ruhrfestspiele.de und in der Kartenstelle an der Martinistraße 28 in Recklinghausen.