Dortmund. Eine Schau in Dortmund zeigt, wie groß die Rolle der Brauereien war. Sie sponserten Karnevalisten und Schützen – und gaben dem BVB den Namen.

Ohne Bier ist nichts gelaufen. Die Karnevalsprinzessin hebt auf einem Foto aus den 50er-Jahren den Humpen, auf einem anderen nimmt der Schutzmann kräftige Schlucke, und das nicht etwa heimlich; und auf einem dritten stoßen die Oberbürgermeisterkandidaten miteinander an. Dortmund, das Land, wo Pils und Export fließen.

Und wenn doch nichts lief? Steht unter der Zeichnung eines Paares auf einem alten Bierdeckel: „Hier erkennt der kluge Späher / Hansa bringt die beiden näher / drum rat ich dir / trink Hansa Bier.“

„Kirmes, Karneval, Schützenfeste“

„Kirmes, Karneval, Schützenfeste“ heißt die kleine Ausstellung im Dortmunder Brauerei-Museum, sie präsentiert vor allem alte Fotos und Postkarten, Krüge und Bierdeckel. Und macht im Zusammenhang mit der Dauerausstellung deutlich, in welch heute unvorstellbarer Weise im 20. Jahrhundert – neben Kohle und Stahl – die Brauereien und ihre Marken die Stadt dominiert haben.

Ritter, Union, Thier, Dab, Hansa, Bergmann, Stifts, Brinkhoffs, ohne jeden Anspruch auf Vollständigkeit. Und als 18 junge Männer im Dezember 1909 einen Fußballverein gründen, in einer Kneipe, versteht sich: Da steht die nahe dem Borsigplatz gelegene „Borussia“-Brauerei Pate.

Kern der Feste sind ausgiebiges Essen und Trinken

Eine Karnevalsprinzessin in den 50er-Jahren trinkt Pils auf ihr Amt.
Eine Karnevalsprinzessin in den 50er-Jahren trinkt Pils auf ihr Amt. © brauerei-Museum | fotos

Seit dem 19. Jahrhundert nehmen Kirmesse und Schützenfeste in ganz Westfalen feste Formen an. „Kern der Feste sind ausgiebiges Essen und Trinken“, heißt es da: „Das fördert die Gemeinschaft und unterscheidet sich vom grauen, kargen Alltag“ – geradezu nüchtern, dieser Alltag.

Zunächst liefert der nahe gelegene Gastwirt das Bier, bald übernimmt die lokale Brauerei diese Rolle, und im 20. Jahrhundert sind es dann die Großbrauereien, die Kirmes, Karneval und Schützenfeste sponsern und versorgen. Dazu liefern sie längst nicht mehr nur das Bier, sondern auch Stände, Zapfanlagen, Gläser, Kühlkisten und das Eis dazu: Dementsprechend, sagen wir, auskömmlich ist der Ertrag.

Bierlaster wurden umgebaut zu Karnevalswagen

Auch hätte sich „der organisierte Karneval in Dortmund nicht entfalten können ohne die organisatorische und finanzielle Hilfe der Brauereien“. Da wurden Rosenmontagszüge gefördert und Bierlaster umgebaut zu Karnevalswagen. Der Wagen „Dortmunds Stufenrakete“ zeigt folgerichtig aufeinander montierte Bierfässer, ein anderer fordert: „Lieber en Blömchen als en Atömchen“ – Blömchen ist die Schaumkrone. Und als Bundeskanzler Ludwig Erhard die Parole ausgibt, „Maßhalten ist das Gebot der Stunde“, da widerspricht ihm Dortmund mit einem Wagen, der Erhard neben einer größeren Batterie von Fässern zeigt.

„Gruß aus der Bierstadt Dortmund“ ist schon Anfang des Jahrhunderts ein beliebtes Postkarten-Motiv, ebenso wie „Prosit Kinder, wir sind alle Sünder, Prosit“ - dahinter gezeichnet eine „Bierhalle“ und eine Bude „Aus den Colonien“. 1889/90 war nämlich der „Saalbau Fredenbaum“ entstanden, genannt „Das Wunder von Westfalen“: eine der größten Bierhallen Deutschlands. Und 1912 kam der „Lunapark“ hinzu, der alles schon hatte: Wasserrutsche, Achterbahn, Autoscooter. 1912!

Bier zu verkaufen, war so leicht wie Bier zu verteilen

Ihre Blüte hatten die Brauereien nach dem 2. Weltkrieg; ein Zeitzeuge beschreibt, dass, Bier zu verkaufen, damals so leicht war wie Bier zu verteilen. Und wieder offenbart ein Bierdeckel, über welche Großindustrie wir hier reden: „Besuchen Sie die DAB-Terrassen, unseren Großausschank auf der Weltausstellung Brüssel 1958.“

Doch sind die Zeiten seit den 90er-Jahren schwieriger geworden. Schützenfeste und kleine Kirmesse verlieren in der Stadt an Anziehungskraft, „Absatz und Werbewirkung sind oft nicht mehr attraktiv“. Oft sind es heute Schausteller, die eigene Getränke-Stände betreiben. Und der Pro-Kopf-Verbrauch des alkoholischen Grundnahrungsmittels Bier sinkt seit vielen Jahren, auf Weihnachtsmärkten trinken die Leute inzwischen mehr Glühwein als Bier. Früher war alles besser.

Und doch, und doch: Es ist ja kein Zufall, dass Dortmund in der Krimiserie der Gabriella Wollenhaupt „Bierstadt“ heißt. Womit wir einen schönen, stimmigen Schluss dieser Geschichte hätten. Und entschlossen verschweigen, dass die Heldin dieser Krimis eine Maria – Grappa ist.

Informationen und Öffnungszeiten

„Kirmes, Karneval, Schützenfeste. Bier und Brauerei auf Volksfesten Westfalens“ ist noch zu sehen bis zum 31. Dezember 2019 im Brauerei-Museum, Dortmund, Steigerstraße 16. Der Eintritt ist frei. Montags geschlossen, sonst täglich ab 10 Uhr, samstags ab 12 Uhr.