Düsseldorf. Der texanische Universalkünstler Robert Wilson hat zur „Dorian“-Uraufführung nach Düsseldorf geladen - und wurde mit viel Applaus belohnt.
Andere Theater ächzen seit Corona unter halbleeren Rängen, in Düsseldorf stehen sie mit Schildern vor der Tür, auf denen steht: „Suche Karten!“ Das ist eben der Unterschied: Wenn der texanische Universalkünstler Robert Wilson zur Uraufführung bittet, stehen die Fans Schlange in großer Erwartung zweier berauschender, formvollendeter Theaterstunden. Sie sind auch diesmal nicht enttäuscht worden.
Robert Wilson wird im Oktober 81 Jahre alt und ist noch immer rastlos an den Theatern und Opernhäusern dieser Welt unterwegs. Zwar wird er beim tosenden Schlussapplaus mittlerweile an Händen auf die Bühne geführt und wirkt etwas zittrig, sein charmanter Wink ins Publikum verrät aber: Ihr könnt weiter auf mich zählen.
Dritte Arbeit fürs Düsseldorfer Schauspielhaus
„Dorian“ ist Wilsons dritte Arbeit fürs Düsseldorfer Schauspielhaus und weitaus intimer geraten als etwa der opulente „Sandmann“. Eigens für den fabelhaften Christian Friedel als One-Man-Show eingerichtet, widmet sich Wilson hier den verkrachten Existenzen dreier Künstler: Francis Bacon, Oscar Wilde und Basil Hallward, dem fiktiven Maler aus Wildes Roman „Das Bildnis des Dorian Gray“. Relativ sauber in drei Akte geteilt, lässt Autor Darryl Pinckney deren Geschichten in einen assoziativen Erzählfluss gleiten, der wunderbar klingt, aber beim bloßen Hören nur schwer zu durchdringen ist.
Wie oft bei Robert Wilson passiert im Dunkeln der Bühne zunächst einmal – nichts. Das fahle Licht einer Lampe, das wie sich später herausstellt zu einem uralten Radio gehört, gibt den Blick frei auf ein verwüstetes Atelier, in dem Friedel (und bisweilen auch Jeremia Franken als sein Schatten) kaum zu erkennen sind.
Inspiriert von Gruselklassikern wie „Das Cabinet des Dr. Caligari“
Die bedrohliche Atmosphäre, immer wieder von lautstarken Knalleffekten unterbrochen, ist offensichtlich von Gruselklassikern wie „Das Cabinet des Dr. Caligari“ inspiriert. So düster und so garstig wie in dieser famosen ersten halben Stunde hat man Wilsons Theater lange nicht gesehen.
Was darauf folgt, ist ein wesentlich hellerer, aber letztlich auch erwartbarer Bühnenzauber. „Dorian“ besteht aus etwa zehn verschiedenen Kulissen, eines imposanter als das nächste. Natürlich ist alles vertreten, was eine echte Wilson-Messe so reizvoll macht: die Schattenspiele, die Spiegel, die zentimeterdicke Schminke, sogar ein Kronleuchter darf nicht fehlen.
Zuckersüße Popsongs der Band „Woods of Birnam“
Dabei hat man nie das Gefühl, als ruhe sich der Altmeister auf seinem reichen Erfahrungsschatz aus. Sein Theater mag zur Marke geworden sein, zu Stereotypen verkommen ist es nicht. Mit Christian Friedel weiß er einen Verbündeten auf der Bühne, der Pinckneys komplizierten Text und Wilsons Bildermagie brillant zusammenführt und nebenbei noch einige zuckersüße Popsongs seiner Band „Woods of Birnam“ einbaut. Lässig gleitet Friedel von Szene zu Szene, einzig die alberne Sächsisch-Einlage (für die Dresdner Premiere im kommenden Jahr) und die ungelenken Tanzdarbietungen der Bühnenmannschaft wären verzichtbar gewesen. – Zehn Minuten stehende Ovationen!