Düsseldorf. Da steppt der Bär: Starregisseur Robert Wilson inszeniert am Düsseldorfer Schauspielhaus „Das Dschungelbuch“ ganz ohne Disney-Welten.

Der Dschungel ist näher als man denkt. Er jault, zischt, blitzt, blinkt und groovt ganz ungemein. Über uns und unten im Orchestergraben, wo famose Jazzmusiker sitzen. „Ich hoffe, Euch gefällt die Show“, ruft ein Elefant.

Es erscheinen: Herr und Frau Wolf, Hipster in Jeans. Monkey, der Rapper und Tänzer. Bagheera, schwarzer Panther, hohe Hacken, lange Wimpern. Kaa, zischend, den Schlangenkopf am Arm. Und natürlich Bär Baloo und Shere Khan, Königstiger mit zweifelhaften Absichten („Kinderfleisch, Kinderfleisch, ist an Vitaminen reich!“). Der erste Song: „Hide and Seek“. Und wer jetzt noch nicht angekommen ist, in der Wunderwelt des Robert Wilson, dem ist auch nicht zu helfen.

Robert Wilson inszeniert nach dem „Sandmann“ jetzt das „Dschungelbuch“ in Düsseldorf

Nach dem „Sandmann“ stellt der US-Kultregisseur, für den Bühne und Licht Chefsache ist, in Düsseldorf sein „Dschungelbuch“ vor. Kipling als Singspiel – als Variete, Schatten- und Figurentheater für Große und Kleine. Eine Koproduktion mit dem Théâtre de la Ville in Paris, wo die französische Version bereits zu sehen war. Fürs Schauspielhaus hat Wilson die Inszenierung neu eingerichtet. Und: Alle lieben Mowgli und seine Freunde, vom Baby bis zum Greis. Man ist prompt vernarrt in die junge Cennet Rüya Voß, die ein zuckersüßer kleiner Junge ist. Im roten Spielanzug hüpft er durch einen bunten „Jungle“, in dem alles aus Licht, Klang und Farbe entsteht. Mit dem Schmetterlingsnetz jagt es Flatterwesen, die an Stangen hereingetragen werden, während Schatten Blätter und Halme zaubern.

Bei Wilson ist jede Bewegung Form, reine Choreografie. Sprache wird Rhythmus, man denkt an Puppen, an Marionetten. Selten hat man einen runderen Vollmond gesehen. Und aus Zacken auf dem Boden formen sich Wind, Wald und Wasser. Wilson erzählt nach Rudyard Kipling, die Geschichte ist komplexer als Walt Disneys Film, rätselhafter. Aber die Regie macht es auch den kleinen Zuschauern leicht.

Robert Wilsons Düsseldorfer „Dschungelbuch“ setzt auf Bilder und viel Fantasie

Wo Worte überflüssig scheinen, wird gesungen – Partner ist das Folkrock-Duo CocoRosie, Bianca und Sierra Casady. Eine kongeniale Verbindung. Wolf Song, Bagheera’s Song und Tiger Song gehen ins Herz und in die Füße, das Gesetz des Dschungels als „Law oft the Jungle“ ist ein Ohrwurm und wird auch als Zugabe gesungen. Erst zuschlagen, dann Laut geben, lautet eine Regel.

Und so bringt nicht mal das Ende Mowgli Erlösung – aber zumindest ein Tigerfell als Trophäe, hier eine flotte Teddyjacke. Das Ensemble ist großartig, darunter André Kaczmarczyk als coole Transe Bagheera, der sich wunderbar selbst auf die Schippe nimmt. Alle können singen. Und Sebastian Tessenow als Tiger obendrein ganz fürchterlich brüllen! Aber zum Glück gibt’s Baloo, den Lieblingsbären (Georgios Tsivanoglou). Mit Fellöhrchen und Karo-Anzug sieht er aus wie dem Bilderbuch entsprungen, klingt aber verrucht und verraucht wie Tom Waits. Zum Teufel mit der Gemütlichkeit. Dieser Bär hat den Blues.

Und so fliegen anderthalb Stunden vorbei. Laute Bravos, Jubel – dann ist Schluss mit Poesie und Illusion. Das Foyer des Schauspielhauses ist noch immer eine Baustelle. Auch Zauberei hat ihre Grenzen.

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„Das Dschungelbuch“ ist für alle Menschen ab 8 geeignet. Nächste Termine: 26. Oktober, 19 Uhr, 27. Oktober, 16 Uhr, 19. November, 19 Uhr, 20. November, 11 Uhr, 28. November, 19 Uhr, 29. November, 11 Uhr.

Düsseldorfer Schauspielhaus, Gustaf-Gründgens-Platz. Karten ab 12 Euro plus Gebühren, alle Infos www.dhaus.de und unter Tel. 0211-369911.