Essen. Die Corona-Pandemie hat vor allem fürs traditionelle Publikum der Kulturhäuser gravierende Folgen: Die Rückkehr wagen viele bis heute nicht.
Der Auftakt unserer Serie zu Covid-Folgen fürs Kulturleben galt einer großen Künstleragentur. Ihre Leiter aber sprachen nicht bloß über arbeitslose Tenöre. Sie äußerten klar „die große Sorge“, das Publikum könne nach der langen Pandemie-Pause nicht zurückkehren.
Und sie behielten Recht. Sigrid Riemer etwa, die der Essener Theatergemeinde mit 2500 Mitgliedern als Geschäftsführerin vorsteht, sieht trotz längst geöffneter Bühnen, Opernhäusern und Konzertsälen bisher nur gut ein Drittel ihrer Kunstfreunde wieder voll dabei. Die waren„heiß“ auf Kultur, die haben gesagt: „Ich möchte wieder!“ Weil sie „der Impfung getraut haben, aber auch weil ihre Haltung ist: ,Ich bin schon so alt, ich weiß nicht, ob ich noch länger warten kann, ich möchte das jetzt noch erleben’“, beschreibt Riemer die Gruppe. Doch ein großer Teil sei sehr vorsichtig, Botschaft: „Ich will mich nicht in Gefahr begeben, ich warte noch!“ Für eine Besucherorganisation wie ihre ist das ein echtes Problem. Da hilft kein Werben, keine Rabattaktion. Sigrid Riemer: „Wir wissen wirklich aktuell nicht, wie wir diese Menschen wieder zurückholen. Wann die Angst schwindet, sich unter Menschen zu begeben, müssen wir letztlich abwarten.“
Für Häuser ohne öffentliche Förderung ist die Lage eine harte Prüfung
Es ist das traditionelle, dem Theater und dem Konzert treue Publikum, das immer noch massenweise ausbleibt. Für ein Haus ohne öffentliche Förderung wie das von Christian Stratmann („Mondpalast“) ist die Lage eine harte Prüfung. Stratmann erlebt Gäste, die „geradezu euphorisch waren, endlich wieder ins Theater gehen zu können. Leider sind es noch zu wenige.“ Der Sorge um die Gesundheit habe „die Furcht vor den Folgen des Ukraine-Krieges, insbesondere vor der Inflation“ eine Hürde hinzugesellt. Stratmann: „Um das Publikum zurückzugewinnen, müssen wir uns als Theater sehr anstrengen.“ Er hegt die Hoffnung auf eine Wende „spätestens nach der Sommerpause“.
Auch ein enorm beliebtes Orchester wie Essens Philharmoniker hat die Pandemie auf ihre Weise erwischt. Die für die Publikumsbindung so wichtigen Abos mussten zwei Jahre lang ruhen. Immerhin: „Nur“, so Sprecher Christoph Dittmann, „rund zehn Prozent“ seien mit Blick auf die nächste Spielzeit nicht zurückgekehrt. Die laufende Saison zeigt indes deutlich, was eine Zeit ohne Abo (also ein rein freier Kartenverkauf) bedeutet: „Im Schnitt kamen rund halb so viele Zuschauende wie in der Vor-Corona-Spielzeit 2018/2019“, berichtet Dittmann. Auf „eine positive Dynamik und eine stetige Rückkehr unseres Publikums“ hofft er fest.
Pop-Konzerte finden in ausverkauften Sälen statt
Deutlich schneller scheint das Jüngeren geltende Unterhaltungssegment – wohl vor allem wegen seines Publikums – zu alter Form zurückzufinden. Vor allem Pop-Konzerte finden in ausverkauften Sälen statt. Die nahende Sommersaison wird die Entwicklung durch zahlreiche Open-Air-Konzerte beflügeln.