Oberhausen. Die 68. Kurzfilmtage sind angelaufen – und ab morgen nach zwei Online-Jahren auch wieder im Leinwand-Kino zu sehen. Und haben noch mehr Preise.

Bis Mittwochabend noch laufen die beiden Online-Wettbewerbe bei den Kurzfilmtagen Oberhausen – und ab morgen geht die rund 600 Filme starke Ausgabe Nr. 68 des Festivals dann wieder ins Kino, in die Lichtburg und ins Kino im Walzenlager der Zinkfabrik Altenberg. Diesmal also ist wieder die Welt zu Gast in Oberhausen, etwa mit diversen Programmen in einem Afrika-Schwerpunkt nach der Befreiung von Kolonialmächten in den 60er-Jahren (5.-8. Mai). Auch im internationalen Wettbewerb stammen diesmal viele Beiträge aus Afrika, Asien oder Südamerika; die Tendenz der vergangenen Jahre setzt sich darin weiter fort.

Die Zahl der ohnehin nicht wenigen Preise in Oberhausen ist in diesem Jahr noch einmal gewachsen, weil in den beiden Online-Wettbewerben – deutsch und international – andere Filme laufen als im Kino. Der deutsche Online-Wettbewerb mit zehn Filmen fast durchgehend politisch. Explizit, wenn Pavel Mo­zhar an die Ereignisse nach der Präsidentenwahl in seiner Heimat Belarus erinnert, indem er in seinem Zimmer in Neukölln ein filmisches Handbuch für die die brutale Demonstranten-Verfolgung verfilmt. Oder implizit bei Mona Keil, die in einer animierten Öko-Film-Fabel schleimige Wesen ohne Augen kreiert, die irgendwann anfangen, die kleinen Seestern-Käfer, mit denen sie zusammenleben, sämtlich zu zerquetschen – weshalb sie selber bald austrocknen.

Kurzfilmtage 2022: Deutscher Wettbewerb mit politischem Einschlag

Katrin Winkler hat private, nachträglich kolorierte Afrika-Fotos von Missionaren Im Archiv der Rheinischen Missionsgesellschaft abgefilmt und von afrikanischen wie europäischen Menschen als Symptom von Rassismus kommentieren lassen („Du kannst den Farben nicht trauen“), wobei auch die Einführung der Zentralperspektive als Moment der Kolonisierung erscheint. Vanessa Gravenor wiederum macht sich auf die Suche nach den Wurzeln des islamistischen Bataclan-Attentats von 2015 in den Afghanistan-Kriegen. Und für „Sonne unter Tage“ verfolgen Alex Gerbaulet und Mareike Bernien in subjektiver Doku-Manier die Spuren unsichtbarer Strahlen in den Uran-Abbaugebieten von Sachsen und Thüringen. Manche Filme wie Felix Klees „Hoamweh Lung“ über das Sterben von Pferden und Bauernhöfen in Bayern sind dann auch noch mal im Kino zu sehen.

Das Politische setzt sich in der deutschen Leinwand-Konkurrenz etwa mit „Homesick“ von Festival-Veteran Bjørn Melhus fort, der Horror erzeugt, indem er grotesk zurechtgemachten Corona-Leugnern Zitate aus Endzeit-Filmen in den Mund legt. „Gute Arbeit, gute Nacht“ von Michel Wagenschütz zeigt dagegen eine Künstlerin in verzweifelten Diskussionen mit Jobcenter und Finanzamt, in deren Berufsschablonen Vielseitigkeit keinen Platz hat.

Kurzfilmtage 2022: Viel Ruhrgebiet im NRW-Wettbewerb

In der Internationalen Online-Konkurrenz mit einer Fülle von 34 Filmen ist wird die Bandbreite der Themen fast größer als die der Herkunftsländer von Skandinavien bis Ozeanien, von Nordamerika bis Zentralafrika, mit einem surrealen Null-Müll-Film aus Tschechien um einen Skateboard-Fahrer im Fischkostüm etwa oder einem rätselhaften Kurzkrimi-Spielfilm von den Philippinen in Schwarzweiß.

Der im Kino laufende NRW-Wettbewerb bietet Skurrilitäten wie die Fahrrad-Fans aus Oberhausen („Cruiser“), die sich genauso Kutten, Tattoos und Zweiradschmuck zulegen wie die motorisierten Rocker-Kollegen. Oder die Kurzfilmparodie von Rainer Knepperges, der ein x-beliebiges Pflanzenblatt in einem Garten in Malaga zu einer Sensation hochstilisiert. Da ist aber auch ein heiter endendes Soziopsychodrama um eine frisch Geschiedene und ihre sechsjährige Tochter („Bruchstücke“ von Rusudan Gaprindashvili), der digital erweiterte Spaziergang an der Ruhr zwischen Quelle und Mündung oder ein Film, der bei den Urbanen Künsten Ruhr entstand und von der ersten McDonald’s-Filiale in Herne handelt, die zwischen Leerstand und Oldie-Proberaum Geschichten von der Leere nach dem Durchzug des Kapitals erzählt. Weibliche Selbsterforschung ist diesmal in einer Zeichentrick-Animation Thema („Fulfillmenot“ von Julia Jesionek).

Kurzfilmtage 2022: Im MuVi-Wettbewerb hat einer den Thomas Gottschalk im Nacken

Eher filmisch unterhaltsam fällt in diesem Jahr der Musikvideo-Wettbewerb mit elf Filmen aus, zumal etwa „Dr. No“ den Multi-Artisten Jonathan Meese in eher dilettantisch-schlichter Manier mit DJ Hell kombiniert, während Motong Huang („Das Chaos“) eine bizarre Bilderflut aus PC-Games mit Sounds unterlegt, die von Musik noch ein ganzes Stück entfernt sind. Ähnlich fallen die „LA Screen Memories“ von Jan Jelinek mit Bildern und Geräuschrauschen aus diversen Tunneln aus, während auch „Wann hast Du das letzte Mal Blumen betrachtet“ Spoken-Word-Poetry mit Sound unterlegt. „1000 Thomas“ allerdings macht sich zu einer Mischung aus Schlager- und Samba-Rhythmen recht unhämisch, aber scheckig bunt über den ewigen Thomas Gottschalk lustig.