Bottrop. Der Soziologe Harald Welzer warnt davor, dass angesichts des Ukraine-Krieges die dringend benötigte Energiewende aus dem Fokus geraten kann.
Die von Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine ausgelöste „Zeitenwende“ lässt die Notwendigkeit einer radikalen Energiewende in der öffentlichen Wahrnehmung stark in den Hintergrund treten, davon ist der Sozialpsychologe, Gesellschaftsanalytiker und Transformations-Philosoph Harald Welzer fest überzeugt – „und das nicht nur für kurze Zeit, sondern auf Jahre“. Schon jetzt glaubten viele Deutsche irrigerweise, der CO2-Ausstoß des Landes sei gesunken und es liege jetzt „nur noch an den Chinesen“.
Dabei, so betonte Welzer bei einem Impulsvortrag beim Stiftungs-Netzwerk Ruhr in Bottrop, sei es wichtig zu begreifen, dass der Klimawandel nicht eine der zahllosen „Krisen“ sei: Das hieße, die bisherige Wirtschaftsweise als Normalzustand zu begreifen, der nur aktuell gestört sei, zu dem man aber durch eine Reparatur wieder zurückkehren könne. Das aber würde eine Fortsetzung der nicht mehr umkehrbaren Verschwendung von Ressourcen bedeuten. Da stelle sich die Frage, „ob wir überhaupt in der Lage sind, die Dimensionen der Veränderung zu begreifen, in der wir stecken.“
Aufzeigen und Fördern alternativer Lebensstile und Wirtschaftsformen
Die Folgen der Erderwärmung, so Welzer, der lange Projektleiter der Forschung zur Klima-Kultur am Kulturwissenschaftlichen Institut in Essen war, „werden die Menschen sehr viel länger beschäftigen, als wir alle noch zu leben haben. Was wir derzeit erleben, ist vor 30 Jahren verursacht worden. Und die Folgen werden bleiben!“ Der Gründer der Stiftung „Futurzwei“, die praktische Wege für den Umgang mit dem Klimawandel durch das Aufzeigen und Fördern alternativer Lebensstile und Wirtschaftsformen finden soll, erinnerte daran, dass mittlerweile auch die liberale, rechtsstaatlich verfasste Demokratie auf dem Spiel stehe – Stichwort Populisten.
Auch deshalb müssten sich die Stiftungen weiterentwickeln. Jetzt seien sie verdienstvoller Reparaturbetrieb dessen, „was nicht richtig läuft in der Gesellschaft“ – sie könnten aber wegweisend werden, vom Reagieren ins Agieren kommen, vor der Leitfrage: „Was sind unsere Vorstellungen von einer künftigen, modernen, nachhaltigen und offenen Gesellschaft?“ Als Akteure einer notwendigen Transformation, die deren Grundlagen erhält.
Lange Diskussionen mit Finanzbehörden und der Politik
Gegen ein solches „Bottroper Signal“ führten Stiftungsvertreter ins Feld, dass sie mit Finanzbehörden und der Politik oft und lange diskutieren müssten, wie politisch die Tätigkeit von Stiftungen werden dürfe.
Dem 2016 gegründeten Stiftungsnetzwerk Ruhr gehören 82 (!) Stiftungen an, große wie die RAG-, die Mercator- oder auch die Eon-Stiftung (die Harald Welzer nach Bottrop lotste), aber auch viele kleine. Gemeinsam lobt man den Förderpott Ruhr mit 400.000 Euro aus, der Stadtteil-Initiativen in puncto Klima, Bildung und Zusammenhalt mit bis zu 5000 Euro fördert: foerderpott.ruhr