Mülheim. . Harald Welzer stellte sein Buch „Für eine offene Gesellschaft“ beim Literaturbüro Ruhr im Ringlokschuppen vor – und erntete reichlich Beifall.
„Unsere Demokratie wird gerade in globalem Maßstab angegriffen. Die Rückkehr der Wahnsinnigen, die diese Demokratie nicht wollen, hat schon stattgefunden.“ Zu diesem finsteren Fazit kam Professor Harald Welzer in seinem Vortrag vor vollem Haus im Ringlokschuppen, mit dem der Gast des Literaturbüros Ruhr in der Reihe „Überleben – Von der Hoffnung auf Zukunft“ auf großes Interesse stieß.
Harald Welzer hat sich als scharfsinniger Verteidiger von Demokratie und Rechtsstaat einen Namen gemacht. So gehört der gebürtige Hannoveraner, der unter anderem für das Kulturwissenschaftliche Institut Essen forschte und arbeitete, auch in der aktuellen Debatte um die AfD zu den viel gefragten Experten, Interview-Partnern und Autoren.
Versklavende und demokratiefeindliche Internet
„Wir sind die Mehrheit. Für eine offene Gesellschaft“ lautet der Titel seines aktuellen Buches über die Auseinandersetzung mit den politischen Rechtsaußen unserer Republik. Der 59-jährige Star der deutschen Soziologen- und Sozialpsychologen-Zunft, der auch das seiner Meinung nach alle versklavende und demokratiefeindliche Internet kritisiert („Die smarte Diktatur“), das den Verschwörungstheorien und dem Geschrei der Rechten die ideale Plattform biete.
Welzer behandelte in seiner fachlich und rhetorisch brillanten Rede die „Veränderung der Wahrnehmung“. So hätten die Juden-Deportationen 1941 ohne Widerstand stattfinden können, noch 1933 wäre dies in Deutschland ein Verstoß gegen die moralische Norm gewesen. Welzer: „Parallel zur Veränderung der Gesellschaft verändert sich auch die Wahrnehmung.“
Ein ausgeprägtes Maß an politischer Dummheit
So auch in Deutschland im Jahre 2015, als das Bürgerengagement angesichts des großen Flüchtlingsstromes als „Sternstunde der Demokratie“ bewertet wurde, die die „Politik dann verstolpert“ habe. Der bayrische Ministerpräsident habe den Medien gesagt, dass „die Stimmung kippt“. So schaffe man Argumente für die politische Rechte, denen man in Talkshows im Öffentlich-Rechtlichen Fernsehen inzwischen sogar einen festen Platz anbiete. Harald Welzer: „Ein ausgeprägtes Maß an politischer Dummheit.“ So würden Meinungen und Wahrnehmungen mit neuen Maßstäben versehen, die jetzt in Österreich mit rassistischen Wahlplakaten als Normalität akzeptiert würden. Warum habe man etwa 1933 in Berlin ganz selbstverständlich eine „Judenfrage“ diskutiert und nicht eine „Anti-Semiten-Frage“?
Man müsse diesen Feinden unserer offenen Gesellschaft ein „Wir sind dafür“ entgegenhalten. „Für Freiheit, für Menschenrechte und für Demokratie“. Viel Beifall für Harald Welzer.
Stiftung „Futurzwei“ gegründet
>> Harald Welzer habilitierte im Fach Soziologie. Er ist Mitglied zahlreicher internationaler Akademien und Beiräte, lehrt unter anderem an Hochschulen in St. Gallen und Atlanta.
Welzer gehört zu den Gründern der Stiftung „Futurzwei“, die sich für eine enkeltaugliche, und zukunftsfähige Gesellschaft einsetzt.