Essen. Ernst Gosebruch hat als zweiter Gründungsdirektor mehr für das Museum Folkwang getan, als allgemein bekannt ist – und schied tragisch aus.

„Das schönste Museum der Welt“ sah der US-amerikanische Kunsthistoriker Paul J. Sachs 1932 im Essener Folkwang Museum. Da war der Spross der Goldman-Sachs-Dynastie, drei Jahre zuvor noch einer der sieben Gründer des Museum of Modern Art in New York, auf der Suche nach Anregungen für jenes „MoMA“, das heute als Flaggschiff aller modernen Kunstmuseen der Welt gilt. Dass das Museum Folkwang damals so „schön“ wirkte, als Haus wie als Sammlung, war nicht zuletzt das Verdienst eines Mannes, der vielleicht durch das unglückliche Ende seiner Karriere unbekannter blieb, als er es verdient hätte: Ernst Gosebruch.

Der Mann hatte nach dem Abitur am Essener Burggymnasium erst ein Philologie- und dann ein Kunstgeschichts-Studium abgeschlossen und nach einem Volontariat 1906 im Museum seiner Heimatstadt drei Jahre später schon den Aufstieg zum Direktor in dessen ausgegliederter Kunstsammlung geschafft. Ein damals schon modernes Museum, anfangs noch in der ehemaligen Villa des Industriellen Grillo am Burgplatz: Hier wurde 1907 Wilhelm Lehmbruck gezeigt, der gerade erst die Düsseldorfer Akademie absolviert hatte, und 1908 bereits eine erste große Fotografie-Ausstellung. Gosebruch kaufte vorwiegend deutsche Malerei für das Museum an, darunter Impressionisten wie Liebermann, Corinth und Slevogt.

Van Goghs „Rhonebarken“ und Krupps kalte Schulter

Dr. h.c. Ernst Gosebruch (1872-1953)
Dr. h.c. Ernst Gosebruch (1872-1953) © Oliver Müller NRZ | Oliver Müller

Aber 1912, als die Krupp zu seinem 100-jährigen Firmenjubiläum eine rund 1 Million Mark schwere Stiftung für Kunstankäufe spendiert, holt Gosebruch auch van Goghs „Rhonebarken“ nach Essen, heute eine der Ikonen des Folkwang. Der Museums-Chef kann noch fünf Jahre lang Einkäufe ganz nach seinem Gusto tätigen, da verteidigt er seine Auswahl ein wenig zu selbstbewusst gegenüber Gustav Krupp von Bohlen und Halbach und schreibt: „Rücksicht auf die Sympathien unserer Stifter kann dabei nicht immer maßgebend sein.“

Ab da muss sich der Museumsdirektor die Verwendung des Stiftungsgeldes von Krupp genehmigen lassen. Und wiederum fünf Jahre später, als Gosebruch 10 Millionen Mark zusammentrommeln will, um den Erben des Hagener Mäzens Karl Ernst Osthaus dessen schon berühmte Folkwang-Sammlung abzukaufen, zeigt Krupp ihm die kalte Schulter.

Waldthausen, Goldschmidt und Hirschland sowie das Kohlesyndikat

Aber Gosebruch gelingt es 1922 mit der Hilfe von Hans Luther, dem damaligen Essener Oberbürgermeister und späterem Reichskanzler, das Rheinisch-Westfälische Kohlesyndikat für den Ankauf zu gewinnen, vor allem dessen Chef Albert Janus (in dessen Schreibtischstuhl das Motto „Ein treues Herz – ein offenes Haus – und Liebe zur Kunst – macht das Glück des Lebens aus“ geschnitzt gewesen sein soll) und, neben vermögenden Essenern wie den Familien Waldthausen, Goldschmidt oder Hirschland, weitere Industrielle und Firmen aus dem damals noch nicht Ruhrgebiet genannten Revier zum Spenden zu bewegen. Auch als die Familie Osthaus wegen der Inflation noch einmal fünf Millionen nachfordert, kommt das Geld zusammen.

Gosebruch warb geschickt nach allen Seiten hin, stellte mal die Modernität der Hagener Folkwang-Sammlung in den Vordergrund, mal die rechtsnational-„alldeutsche“ Jugend von Osthaus oder auch den „germanischen Blick“ Auguste Rodins, das „germanische Erbgut“ Vincent van Goghs. In der „ungestümen Entwicklung unseres Bezirkes zu einem Zentrum der Weltwirtschaft“, betonte er in der Denkschrift zum Erwerb der Folkwang-Sammlung, sei „die bildende Kunst zu kurz gekommen“.

Die Sammlung musste erst einmal sieben Jahre im Depot bleiben

Den Ankauf bekam Gosebruch noch finanziert (auch indem der Schätzwert extrem niedrig angegeben wurde, um Steuern zu sparen) – aber der allergrößte Teil der nun nach Essen angekauften Sammlung musste noch weitere sieben Jahre im Depot bleiben.

Denn das alte Essener Kunstmuseum war im Ersten Weltkrieg als Lazarett requiriert worden, und nach dem Krieg hatte der Industrielle Hans Goldschmidt seine Villa an der Bismarckstraße als Ausweichquartier gestiftet. 1922 bekam die Stadt auch die gegenüberliegende Villa seines Bruders Karl, im Tausch gegen eine von Goldschmidts Fabrik benötigte Zugangsstraße.

Ausmalungen durch Oskar Schlemmer und Ernst Ludwig Kirchner blieben nur ein Plan

Mit dem Ausbau der beiden Villen zum Folkwang-Museum wurde Edmund Körner beauftragt, der auch die 1913 eingeweihte Essener Synagoge entworfen hatte. Mit ihm rang Gosebruch fast fünf Jahre um die Gestaltung des Museums, das kein Andachts-Tempel werden sollte, aber die Kunst zur Geltung bringen. Die geplanten Ausmalungen des Museums durch Oskar Schlemmer und Ernst Ludwig Kirchner wurden nie vollendet.

Eröffnet wurde der erste Teil des neuen Museums 1927 mit der vierten Emil-Nolde-Ausstellung Gosebruchs, der zeitlebens von den Expressionisten begeistert war; 1926 schrieb er aber auch zu einer Ausstellung der „Neuen Sachlichkeit“ im Folkwang, dass darin eine notwendige Gegenbewegung zum Expressionismus zu sehen sei. Aber vom Kubismus bis zum Surrealismus ließ er auch viele Kunstrichtungen unbeachtet.

Der glühende Nazi Theodor Reismann-Grone und die „Hölle“ in Essen

Schon 1922 hatte es von rechtsnationalistischer Seite Vorwürfe gegeben, der Ankauf der Folkwang-Sammlung sei „undeutsch“. Mit dem Erstarken der Nazis begann auch eine Kampagne gegen das Museum, besonders durch Theodor Reismann-Grone, Inhaber der „Rheinisch-Westfälischen Zeitung“, glühendes NSDAP-Mitglied und ab April 1933 kommissarischer Oberbürgermeister in Essen, der von „Kulturbolschewismus“ sprach. Von seinen 70 Ausstellungen, verteidigte sich Gosebruch, hätten nur sechs „der abstrakten Richtung“ gegolten.

Auch das Kuratorium des Folkwang stellte sich noch vor Gosebruch; doch ihm und seiner Familie sei Essen „zur Hölle geworden“, schrieb er rückblickend. Am 24. Juni 1933, da hatte es schon Sabotage-Akte gegen sein Museum gegeben, reichte er mit 61 Jahren seinen Rücktritt ein. Sein Nachfolger wird das Museum im Sinne der Nazis „säubern“ – und Ernst Gosebruch zieht sich nach Berlin zurück, lebt nach dem Krieg in Lübeck und München, bevor er 1953 stirbt.