Berlin. Unsere Redaktion gratuliert: Unser Cartoonist Heiko Sakurai schuf die Karikatur des Jahres. Er schlug 64 Kolleginnen und Kollegen aus dem Rennen.

Eine vielsagende Auszeichnung: Noch als Pensionärin dominiert Angela Merkel die bedeutendste deutsche Auszeichnung für politische Cartoons. „Muttis Rückkehr“ kam am Montag auf Platz eins des „Karikaturenpreises der deutschen Zeitungen“. Schöpfer des brillanten Wurfs und also Preisträger 2022: unser langjähriger Zeichner Heiko Sakurai.

Dass er einen Filmklassiker (Begründung der Jury unten) als Vehikel für die klare Botschaft: „Machterhalt durch Nachahmung“ wählte, ist nur eine der schier unendlichen Möglichkeiten, die dem zurückhaltenden Halbjapaner gegeben sind. Unsere Leserinnen und Leser dürfen lustvoll Märchen und Mythen entschlüsseln, Anspielungen auf Kino oder Weltliteratur, auf Oper, Wendepunkte der Geschichte, Botanik und Tierreich erwarten, wenn Sakurai zur Feder greift.

Heiko Sakurai siegt beim „Karikaturenpreis der deutschen Zeitungen“

Bescheiden würde er abwinken, tatsächlich aber ist dieser Mann voll von Wissen, Bildung, Information. Es mag selbstverständlich sein, dass ein Karikaturist seines Formats noch vor dem Frühstück ein halbes Dutzend Tageszeitungen studiert hat, während ihn zeitgleich alle denkbaren Nachrichtenkanäle füttern. Aber wer ihn aus der Nähe kennen darf, weiß eben auch, dass zwischen Grüntee und Banane ganz nebenbei gut 1100 Seiten Churchill („Der zweite Weltkrieg“) auf dem Couchtisch liegen. Selbst als alter Freund, den zu nennen der Autor dieser Zeilen sich glücklich schätzen darf, staunt man über den üppigen Bildungskosmos, der in der zarten Gestalt Sakurais wohnt. Das ist die Bandbreite, die seine Künste speist: Die Kriegstaktiken im Alten Rom kommen ihm nicht weniger leicht über die Lippen als Wotans Abschied aus Wagner „Walküre“. Banales steht bei ihm nicht im Giftschrank: Die Meistermannschaft Bayern Münchens von 1989 sagt er einem auswendig her – aber nur, wenn man ihn fragt, den überaus selbstkritischen Meister.

Heiko Sakurai
Heiko Sakurai

Angebracht ist Zweifel kaum. Täglich gelingt ihm, woran Leitartikler dieser Republik vielfach scheitern. Er trifft den Punkt. Und nie siegt die zynische Pointe über ein Lächeln aus Menschlichkeit.

Merkel brachte auch nach der Kanzlerschaft dem WAZ-Karikaturisten Glück

Merkel, hat Heiko Sakurai unlängst erzählt, werde er vermissen. Er hatte sie unvergleichlich drauf; einmal fragte ich, womit er bei ihr beginne. „Immer mit der Nase“, sagte Heiko. Wie sollte es anders sein für einen Preisträger, der so oft den richtigen Riecher hat für Themen, Typen und Tragikomödien? Die WAZ gratuliert von Herzen!

-------------

Aus der Begründung der Jury:

Für die Jury des „Karikaturenpreises der Deutschen Zeitungen“ lobte am Montag deren Mitglied Ulrich Op de Hipt (Haus der Geschichte, Bonn) den ersten Preisträger. Heiko Sakurais „Muttis Rückkehr“ besteche durch „inhaltliche Prägnanz und eine künstlerisch hervorragende Umsetzung“.

Der gebürtige Recklinghäuser und Wahl-Kölner (50) hatte in seiner Zeichnung (Titelblatt unserer heutigen Ausgabe) Hitchcocks Horror-Klassiker „Psycho“ zur Folie erkoren, vor der er den Sieg Olaf Scholz’ erklärte. Aus dem übermächtigen Schatten der längst toten Mutter im Original machte Sakurai die ewige Kanzlerin, aus Scholz ein Merkel-Double. Die Jury sah „einen zentralen Aspekt des Wahlkampfs“ auf den Punkt gebracht. Ulrich Op de Hipt: „Scholz kopiert den Stil der erfolgreichen und beliebten Kanzlerin“ und wie im Film der tragische Norman Bates stehe mit dem SPD-Kandidaten eine „Figur mit zwei Identitäten im Zentrum“ der Preisträger-Karikatur.

Auch WAZ-Zeichner NEL HOLT EINEN PREIS

Gratulation auch unserem Karikaturisten „NEL“ (Ioan Cozacu), mit gleich drei Werken war er auf der Shortlist des Preises. Den Sieg (Platz drei) holte er mit einem Blick auf Naturkatastrophen unserer Tage. Nels souveräner Zugriff auf das Thema pervertiert unser „immer mehr“ an Konsum und Tempo. Die Kleinbürger, die nur noch auf dem Dach ihres gefluteten Hauses Platz finden, deuten den Untergang als schlichte Antwort jener Elemente, die wir ausbeuten und unterjochen, eine „Übersetzungsleistung, die im Idealfall nicht nur Gelächter oder Irritation beim Betrachten auslöst, sondern auch Erkenntnis“.

Ioan Cozacu_Nel_3. Preis.jpg