Köln. Die 54. Art Cologne öffnet ihre Tore für Besucher. Diesmal ist es eine Corona-Ausgabe mit 150 Galerien aus 20 Ländern – und vorsichtigem Publikum.
Bussi-Bussi geht hier auch mit Maske. Die meisten belassen es aber lieber bei flüchtig angedeuteten Umarmungen. Die aktuellen Inzidenz-Zahlen! Immerhin gibt es überhaupt eine Art Cologne, nachdem sie 2020 erst um ein Jahr und 2021 dann vom Frühjahr auf den Herbst verschoben wurde. Messechef Daniel Hug hat dafür auch schmerzhafte Operationen vorgenommen: „2009 bei meiner ersten Art Cologne habe
ich die Breite der Gänge von 5 Metern auf 3,50 Meter verringert, damit es voller aussieht, die Messe hatte ja ein Publikumsproblem“, erinnert sich Hug. „Aber jetzt sind die Gänge wieder 5 Meter breit – aus Sicherheitsgründen. Ästhetisch sieht es allerdings auch schöner aus.“ Was ja bei einer Kunstmesse, jenseits der praktizierten 3G-Regel und einer Maskenpflicht in den Gängen, durchaus eine Rolle spielen darf.
Immerhin ist in diesem Jahr dies- und jenseits der Sushi- und Champagner-Bar auch wieder „Buongiorno“ oder „Nice to meet you“ zu hören, für die Messe im Zweifelsfall wichtiger als Schickimickischmatzer. 150 Galerien reisten dieses Jahr samt Kunstgepäck an; zuletzt war die Zahl schon von 210 (2018) auf 176 (2019) gesunken. Sogar zwei Galerien aus den USA trauten sich über den Teich, aber London ist dünner vertreten als sonst; dafür halten die Schweizer Kunsthändler der Messe die Treue, was gut ist fürs Niveau.
Lucio Fontana, August Macke und Roy Lichtenstein für Millionen
So ist bei „Von Vertes“ ein – in diesem Quietschrosa – sehr rarer Lucio Fontana mit der Fontana-üblichen ruppigen Leinwandöffnung in der Mitte zu bestaunen (für dieses „Concetto spaziale“ muss die Kundschaft 1,5 Millionen Euro parat haben) und dazu ein Roy Lichtenstein in Öl, der nur 50.000 Euro weniger kostet. Ebenfalls im Millionenbereich: Emil Noldes „Fischer und Töchterchen“ (Galerie Thomas) sowie August Mackes „Mann auf Bank“, der seit 1968 nicht mehr öffentlich zu sehen war – zwei Millionen bei Schacky Art. Dass ein Banksy-Siebdruck in einer Auflage von 150 Stück sagenhafte 148.000 Euro kosten soll, zeigt dagegen die weiterhin durchdrehende Seite des Kunstmarkts in Zeiten billigen Geldes. Preiswerter im wahrsten Sinne: Papier-Arbeiten der Südafrikanerin Zander Blom, die damit die Außenwand der Koje von Hans Mayer aus Düsseldorf gepflastert hat (ab 1500 Euro); hier ist allerdings auch eine Nana von Niki de St. Phalle für 850.000 Euro im Angebot.
Karin Schulze-Frieling von der Galerie Utermann fordert niedrigere Mehrwertsteuer
Die Pandemie, weiß Karin Schulze-Frieling von der Dortmunder Galerie Utermann als Vize-Chefin im Bundesverband deutscher Galerien und Kunsthändler zu berichten, hat mitnichten zu einem Galeriensterben geführt: „Die Galeristen haben wieder wie früher zum Telefon gegriffen und Sammler angerufen, sich aber auch auf digitale Kanäle eingelassen.“ Manche Sammler hätten „mehr Zeit für die eigene Sammlung und mehr Liquidität“ gehabt, die Finanzhilfen vom Bund (zweimal gab es „Neustart Kultur“-Förderung für bis zu 500 Galerien) taten ein Übriges. Für ein Galeriensterben, so Karin Schulze-Frieling, habe vielmehr ab dem Jahr 2014 die Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes für Galerien vom ermäßigten auf den normalen Tarif gesorgt. Hier sind die Galerien derzeit guten Mutes, mit der neuen Bundesregierung zum alten Zustand zurückkehren zu können – jedenfalls wollen sie Druck machen, wer auch immer auf die Bundeskulturbeauftragte Monika Grütters (CDU) nachfolgt.
Tastobjekt von Emil Schumacher und Weihnachtspost von Lyonel Feininger
Die Galerie Utermann selbst wartet etwa mit zwei Macke-Zeichnungen auf (85.000 Euro), aber auch mit einem ungewöhnlichen „Tastobjekt“ von Emil Schumacher auf (hinter Acrylglas vor Berührungen gesichert, 80.000 Euro). Genauso viel kosten vier Fabrikhallen-Fotografien von Bernd und Hilla Becher bei Ludorff; der ähnlich große, aber sehr farbstarke Gerhard Richter in Öl wäre mit 690.000 Euro zu erstehen. Dann doch vielleicht lieber eine fröhlich-verrückte Weihnachtskarte von Lyonel Feininger? Macht 35.000 Euro.
Aber es gibt auch viel junge Kunst und auffällig viele Tier-Skulpturen (Miniaturen von Renée Sintenis; drei kopflose Bronze-Lämmer, von Gary Kuehn mit einem Stahlrohr-Dreieck gebündelt; ein „Global Alpha Dog“ von Niko Abramidis aus Acrylglas). Es gibt sogar digitale Kunst, bei der „Non Fungible Token“ bezeugen, dass es unkopierbare Originale sind (ohne dass sie für Originalität bürgen könnten), selbst in den Auflagen-Editionen der „Provinz“-Galerie mit Standorten in Berlin und Bochum. Und es gibt einen Sonderstand mit queerer Kunst aus Budapest, inklusive Performance-Boxring, in dem der Austausch von Küssen und Zärtlichkeiten in Zeitlupe die Uppercuts und rechten Geraden ersetzen.
Art Cologne, Messe Köln, Eingang Süd. Bis 21. November, tgl. 11-19 Uhr, So bis 18 Uhr. Tickets (25 Euro, erm. 20 Euro) nur online: www.tickets.artcologne.de. Sie gelten auch für die gleichzeitig stattfindende Cologne Fine Arts & Design.