Düsseldorf. Düsseldorfs Ballettchef als Opernregisseur: Demis Volpi inszeniert am Rhein „Herzog Blaubarts Burg“, die Regie zeigt Licht und Schatten.

Mag die Welt gendern wie sie will, die Oper, wuchtigste aller Kunstformen, wird nicht müde, jenes alte Lied zu singen, das da heißt: Mann und Frau sind sehr verschieden. Von Lot bis Lohengrin wissen wir: Es ist manchmal besser, nicht alles vom andern zu wissen. Aber Wagners Elsa bohrte nach - und der Ritter „Nie sollst du mich befragen!) nahm den nächsten Schwan nach Hause. Béla Bartóks Oper „Herzog Blaubarts Burg“ gab vor gut 100 Jahren dem Thema die schwärzeste Wendung. Jetzt versuchte sich die Rheinoper an einer Neuinszenierung.

Sie geht auf das Konto von Demis Volpi. Der neue Ballettchef des Hauses startete 2020 kalt, Corona verhinderte Kunst. Mit dieser Spielzeit gibt er alles - und auch als Opernregisseur seine Visitenkarte ab. Der Abend zeigt (wie die szenische Optik) Licht und Schatten. Der Beifall fiel freundlich aus, ohne Einschläge in größere Leidenschaft jedweder Richtung.

Wir erinnern uns: Blaubart hat einen überaus finsteren Wohnsitz. Das Anwesen hat bereits mehrere Frauen angelockt, sie sind vom Erdboden verschwunden. Judith aber, jener Opernfrauentyp, in dem sich erlösende Liebesfähigkeit und eine leicht pathologischer Starrsinn schicksalhaft vermählen, hat ein Herz für den finsteren Mann. Nach und nach entlockt sie Blaubart die Schlüssel zu lauter verschlossenen Kammern. Sie bergen Schreckliches. Am Ende wird die Braut eine von den längst Eingekerkerten.

Demis Volpi verzichtet zunächst auf alles Illustrative: Das Paar, beiläufig heutig gekleidet, ist in der Leere des nachtschwarzen Raums ganz bei sich. Die Burg, in der Begehrlichkeit und Abgrund zu Hause sind: Sie existiert bloß als kleines Modell am Arbeitstisch, Spielzeug einer dunklen Versuchsanordnung.

Dann freilich macht sich der Choreograph Volpi ans Werk, nicht immer zum Heil des Einstünders. Denn da, wo Türen nach und nach blutbefleckte Schätze und Wehrhaftes preisgeben, lässt Volpi solche Welten von Tänzern darstellen. Der „Feste Schatzgewölbe“? Eine Tänzerin (Kostüme Carola Volles) im Bling-Bling-Kostüm! Der „Feste Zaubergärten“? Eine Tänzerin, übersät mit Textilblumen!! Es schmerzt, wie diese Episoden hart das Kunstgewerbliche berühren. Wovon Bartóks betörend finstersüße Musik erzählt, dürfte auf der Bühne ein deutlich abstrakteres Echo finden. Markus Meyers Bühne (lange ein recht unverbindlicher Lichtrahmen, in dem von „Otello“ bis zum „Ring“ alles spielen könnte) findet zu einem fulminanten Finale. Wenn Judith ins letzte Geheimnis eindringt, zeigt die Kehrseite der Finsternis ein wie zu Eis gefrorenes Ensemble von Blaubarts partnerschaftlicher Verwüstung.

Musikalisch steht es im Orchester achtbar, bei den beiden Gesangspartien zum Besten. Zwar leuchtet Axel Kober mit den Düsseldorfer Symphoniker fein pastos die Schmerzensmusik aus, lässt die Seelennöte aus Holzbläsern und Streichern beredt emporsteigen. In Hässlichkeit und Grauen ekstatischer, ja diabolischer dürfte manches freilich noch klingen. Dorottya Langs Judith vereint für ein intensives Rollenporträt den Fanfarensopran einer Einzelkämpferin mit berückenden Momenten bittersüßer Fragilität. Und der (wieder einmal) sensationelle Bogdan Talos lässt keine Zweifel hören, wie sicher man Frauen ins Schattenreich lockt - sein heller Bass bietet ein schaurig-schönes Spektrum verführerischster Klangfarben.

Die Saison ist eröffnet. Kein Coup, aber doch wieder Oper, wie wir sie so lange vermisst haben. Wenig ist das nicht.