Neu im Kino: Der starke Polizeifilm „Bis an die Grenze“ aus Frankreich und eine poetische Dokumentation aus Ungarn über „Das Glück zu leben“.
„Bis an die Grenze“: Starkes Kino für Erwachsene
Drei Pariser Streifenpolizisten – eine Frau und zwei Männer – sollen in einer freiwilligen Nachtschicht als Begleitschutz einen Asylanten zum Flughafen bringen, wo er in seine Heimat Tadschikistan abgeschoben werden soll. Währenddessen keimen moralische Skrupel an der Richtigkeit des Tuns.
Fest verankert in der Tradition des französischen Kriminalfilms mit psychologischem Tiefgang präsentiert sich die letztjährige Regiearbeit der bislang eher mit erotischen Melodramen („Nathalie“, „Das Mädchen aus Monaco“, „Gemma Bovery“) identifizierten Anne Fontaine. Mit den französischen Superstars Omar Sy und Virginie Efira, ergänzt mit den Charaktermimen Gregory Gadebois und – als Gefangener – Payman Maadi, eröffnet der Film mit einer halbstündigen Exposition, in der eine Sequenz aus drei Perspektiven erzählt wird. Auf diese Weise werden die drei Polizeifiguren in ihrer psychologischen Anlage auf originelle Weise ins Spiel eingeführt.
Danach verdichtet sich die Handlung zum atmosphärischen Kammerspiel im Innern des Polizeiautos. Gesprochen wird nun immer weniger, aber dank superber Schauspielerleistungen und konzentrierter Regie vermittelt sich eine Anspannung, die sich beinah physisch von der Leinwand überträgt. Das ist starkes Kino für Erwachsene.
„Das Glück zu leben“: eine Dokumentation über die Ungarin Éva Fahidi
2013 erzählt die Ungarin Éva Fahidi in ihrem Buch „Die Seele der Dinge“ über ihr Leben als Holocaust-Überlebende. Zwei Jahre später unterbreitet die Choreografin Réka Szabó der zu dem Zeitpunkt 90-jährigen Éva das Angebot, ein Tanztheater einzustudieren, in dem Fahidi zusammen mit Emese Cuhorka Szenen ihres Lebens live auf der Bühne tänzerisch ausgestaltet. Zehn Monate Zeit sind es bis zur Aufführung. Den künstlerischen Prozess von den ersten Gesprächen über die auch gedanklich kraftraubenden Proben bis hin zur Generalprobe fing Szabó mit einer Amateurkamera ein. Diese Aufnahmen montierte sie nun zu einem filmischen Tagebuch.
Abgesehen von einigen erläuternden Texttafeln bleibt der Film in unmittelbarer Gegenwartsperspektive. In der Synthese aus dem Porträt der auch im hohen Alter erfrischend selbstbewussten und eigenständigen Éva und dem intensiven Wechselspiel mit der um 60 Jahre jüngeren Tänzerin Emese im Ringen um eine durchaus riskante Darstellungsform entstand ein impressionistisches Dokument tief empfundener Menschlichkeit, das auf sympathisch anregende Weise nachklingt.
Oder wie die Protagonistin es ausdrückt: „Die Tatsache, dass man existiert, ist an sich euphorisch.“