Dortmund/Bochum. Die Brüder Jussen gaben in Bochums und Dortmunds Konzerthäusern zwei ausverkaufte Abende im Revier – und Kostproben ihrer exquisiten Tastenkunst.
Als der liebe Gott die Jussens schuf, da schenkte er dem Klassikbetrieb etwas sehr Rares. Denn enormes Talent und rasante Virtuosität sind gewiss keine Mangelware im Reich aufstrebender Pianisten. Was Lucas (*1993) und Arthur (*1996) aber zu all dem geschenkt hat, ist eine auffallende Demut, ist Bescheidenheit.
Wenn Sie am Ende vor dem tosenden Publikum stehen, rücksichtsvoll und achtsam auch die günstigen Plätze hinter und neben sich bedenken, dann baden die Hilversumer Brüder nicht in dieser euphorischen Zuwendung. Rasche Verbeugung, es scheint ihnen fast peinlich, dann ein gegenseitiges Schulterklopfen – und rasch wieder weg. Nein, das ist wohl keine Inszenierung, das ist eine der vielen staunenswerten Seiten dieses Duos, das dem Revier zwei Abende hintereinander große Momente zu schenken verstand. Beide Male sagten sie auf ihre Weise Dank und beide Male mit Werken, die so viel über die Ausnahmebegabungen sagen. Denn Bach (in György Kurtágs vierhändiger Fassung) lassen sie in einer ganz und gar nach innen blickenden Gestalt erklingen. Das war Musik wie ein Gottesdienst, die Form verschwindet, das Spirituelle regiert. Wer die jungen Herren so engelgleich und in einem ans Telepathische grenzenden Einvernehmen spielen hört, der könnte vergessen haben, wie teuflisch gut sie am Flügel zündeln können.
Ein Sound zum Süchtigwerden
Das geschah mit diesen zwei personifizierten Feuerwerkskörpern nicht nur mit der anderen Zugabe, die (aus der Feder des großen, in den Niederlanden populären Pianisten Igor Roma) lodernd Jazz-Rhythmen auf Mozarts späte g-Moll Sinfonie jagt. Bisweilen war man in Sorge, ob die zwei Steinways, die in Dortmunds Konzerthaus (Dienstag) und tags drauf im Bochumer Musikforum, für die Jussens aufgefahren wurden, das Gastspiel überstehen sollten. Nehmen wir nur Strawinskys „Sacre du printemps“, dem sie in der vierhändigen Fassung (den Ansprüchen nach im Grunde für sechs…) nicht die geringste Farbe schuldig blieben, die heiklen Brechungen nachgerade vor sich her trieben, wie sie das Schwerblütige ganz ironiefrei entwickelten und die Wucht der heidnischen Urkräfte mit perkussiver Autorität hinmeißelten, das war ein Sound zum Süchtigwerden.
Neben Mozarts Es-Dur Konzert (eher geradlinig gedeutet und mit Luft nach oben fürs Transzendentale des Andante) hatte das Duo in Bochum als Gast des Klavierfestivals mit Poulencs d-Moll-Konzert ganz apartes Konfekt im Gepäck. Sich vor der Wiener Klassik (nicht ohne Augenzwinkern) zu verneigen und zugleich die Pariser Salonschlangen in aller bittersüßen Enthemmtheit auf die Klaviatur loszulassen: Poulenc gelingt’s, und das Spiel der Brüder Jussen (in einem Tempo, das der Chronist noch bei keinem anderen Pianisten live so druckvoll-brillant hören durfte) feierte dieses von exotischen Gags durchsetzte Kleinod in mitreißendem Drive, ermüdungsfrei elastisch, mit Leidenschaft ohne Distanz.
Steven Sloane und die Bochumer Symphoniker
Einmal mehr zahlte sich für das Festival die Zusammenarbeit mit hiesigen Orchestern aus. Bochums Symphoniker boten neben einem wundervoll filigranen Haydn („Der Philosoph“) unter Steven Sloane „Poéms“ von Ernest Bloch, die die (in der Region) konkurrenzlos warme Akustik des Baus famos zum Blühen brachte. Sloane und die Seinen reisten durch „Winter“ und „Frühling“ und schenkten dem Parfüm des Impressionismus durchaus Duftnoten von Wagner: Klingsors Zaubergarten war ganz nah