Sieben Monate war Essens Aalto Oper dicht. Nun wird wieder gespielt. Los ging es Mittwoch mit einer Miniatur von Jacques Offenbach.

Nach den ersten Bedenken, eine so kurze wie banale Klamotte zur Wiedererweckung des Aalto-Theaters nach sieben Monaten coronabedingten Tiefschlafs auf den Spielplan zu rufen, vielleicht ein Argument zur Güte: Hätten wir große Oper direkt am ersten Spieltag verkraftet? Das Schmerzensuniversum eines Wagnerschen „Parsifal“? Die ungezählten stundenlangen Ränke um Verdis „Don Carlo“?
Dann ist es vielleicht doch nicht gar so daneben, mit einer klamauksatten Petitesse einzusteigen, ein Aperitif, der die Zunge kitzelt und uns noch ein bisschen mehr Appetit macht, endlich wieder hochklassiges, forderndes Musiktheater an der Ruhr zu sehen? Hochprozentiges wird früh genug kommen.
So gesehen, schluckt man die Mittwoch Abend gesichtete bonbonbunte Pille aus Jacques Offenbachs Muntermacher-Manufaktur. „Auf Ihr Wohl, Herr Blumenkohl!“, kennen altgediente Operngänger vielleicht als „Salon Pitzelberger“.

Die Geschichte: ein Schwank erwartbarer Überraschungen, eine Opernparodie, besonders aufs inhaltsleere Geträller des Belcanto zielend, in Essen aufgeladen mit juxigem Opernitalienisch der Sorte „Ich hab einiges in petto, brutto und auch netto!“ oder Ausrufen wie „Momento grausamento“. Blumenkohl jedenfalls will mehr als er kann. Der Mann ist pleite, sein Töchterchen liebt einen, der den versiegenden Wohlstand nicht mehren wird. Ein Diener hält verzweifelt den neureichen Haushalt zusammen. Die Operngala, mit der man dem Geldadel zu imponieren trachtet, ist durch sämtlich absagende Stars gefährdet. Nun drohen die Gastgeber tief zu fallen - und langen selbst kostümiert nach dem hohen C...

Bruno Klimek inszeniert am Aalto-Theater Offenbachs „Zum Wohl, Herr Blumenkohl!“

Bruno Klimek, der Essen eine charmante „Nacht in Venedig“ bescherte, kommt mit seiner Inszenierung längst nicht so weit, wie man kommen könnte beim Blick auf die Oper, ihre Helden und kitschgesättigten Volten, die Absurdität des Betriebs hinter den Kulissen. Auf ein paar Pointen kommt in der Premiere doch einiges an müdem Boulevardgeplänkel. Zwar ist der Raum, den Jens Kilian schuf, als flotter Fünftürer ein durchaus komödientaugliches Rein-Raus-Gehäuse – über allzu typische Konstrukte, die man heute eher im Tourneetheater ansiedelt, wächst das Komische hier indes selten hinaus. Die Textfassung, von Klimek selbst gedengelt, setzt auf Derbheiten. Die zu Blumenkohl angereisten Düsseldorfer (sehr hübsch von Christina Clark und Albrecht Kludszuweit verkörpert) etwa nennt er die Eheleute „Protz-Obersau“.

Da lohnt es sich aus mehrerlei Gründen, sein Ohrenmerk auf die Musik zu richten. Es ist eine Freude, die Essener Philharmoniker nach so langer Zeit wieder im Orchestergraben zu hören, wie sie unter Friedrich Haider Offenbachs Witz und Eleganz fein und sehr pointiert auskolorieren. Diese Wiederbegegnung wird das Publikum im Schlussapplaus ganz besonders honorieren. Zuvor darf der Kundige in der Aalto-Fassung von Offenbachs Theater auf dem Theater reichlich Ostereier der Musikgeschichte finden, manche freilich erst gelegt, als der kölsche Meister schon im Komponistenhimmel war. „Dein ist mein ganzes Herz“ aus dem „Land des Lächelns“ etwa schmettert Dmitry Ivanchey mit sattem Schmelz, aber Gluck und Mozart erklingen auch.

Sängerensemble zeigt sich in guter Form, mit einem überragenden Sopran

Das Sängerensemble macht Freude: Rainer Maria Röhr ist ein Domestiken-Kauz mit kerniger Höhe. Karl-Heinz Lehners „Blumenkohl“ wird vor allem für seine Rossini-Hommage gefeiert – das „La Calunnia“ aus Rossinis „Barbier“ singt er nicht als schwarzer Bass sondern charakterscharf cantante. Herausragend ein Neuzugang aus der Talentschmiede „Opernstudio NRW“: Giulia Montanari erfühlt ihre Rolle als raffinierte Tochter des Hauses vokal nicht nur mit quecksilbrigen Soubretten-Zitaten, da wächst deutlich mehr heran: ein warmer, in seinen Möglichkeiten üppiger Sopran. Diese Stimme klingt wie ein großes Versprechen für die Zukunft.

Am Ende viel freundlicher Beifall, spürbare Dankbarkeit. Gleich heute Abend geht es mit dem „Bajazzo“ schon weiter, Samstag ist Ballett-Premiere. Wir haben das Theater wieder - und es uns. Das an sich ist das schönste Kunstereignis dieser Wochen!