Enttäuschung, Frust, aber auch Verständnis. Kulturmacher aus dem Revier sagen, was die neuen Corona-Regeln für sie bedeuten. Ein Stimmungsbild.

Hoffen auf Dezember

Natürlich war ich im ersten Moment entsetzt. Trifft es die Richtigen? Gerade das Theaterpublikum ist ja sehr gesittet. Die kommen ja nicht aus dem Park, um im Mondpalast weiter Party zu feiern. Ehrlich: Ich kann mir nach wie vor schlecht vorstellen, dass sich Leute im Theater infizieren. Es ist jetzt schon ein herber Schlag, denn wir hatten das Glück, dass das Publikum wieder zu uns strömte. Natürlich wollen wir mithelfen, dass die Pandemie nicht schlimmer wird, aber es schlagen zwei Seelen in meiner Brust. Die Lust auf Unterhaltung war trotz Hindernissen eindeutig da. Wir waren gerade wieder schön im Lauf mit Standing Ovations! – und das in diesen Zeiten. Gut finde ich, dass es für die Spielpause Entschädigungen geben soll. Meine Hoffnung für Mitarbeiter und Gäste: Dass wir im Dezember mit Herz und Humor wieder loslegen können!


Christian Stratmann, Prinzipal des „Mondpalastes“ in Wanne-Eickel

Wir arbeiten weiter!

Es ist erstmal eine Klatsche, klar. Aber wir erleben täglich, wie dramatisch es um uns herum aussieht. Da ist Realitätssinn wichtig, auch wenn der allgemeine Druck leider nicht differenziert auf sehr gute Hygienekonzepte in den Theatern Rücksicht nimmt. Das ist die frustrierende Seite, denn wir hatten in unserem Häusern keine Infektionsfälle. Aber anders als im Frühjahr ist es kein totaler Lockdown, wir bereiten uns hinter den Kulissen mit aller Energie vor, auf den Tag, an dem der Vorhang wieder hochgeht, die Zeichen für das Weihnachtsgeschäft sind gut. Da werden und wollen wir nicht mit leeren Händen dastehen. Das Publikum erwartet neue Operninszenierungen, neue Ballette. Wir arbeiten also weiter, so gut es mit Rücksicht auf die Regeln geht. Motto: Wir wollen alle, aber wir übertreiben es nicht.


Hein Mulders, Intendant des Aalto Theaters und der Essener Philharmonie.

Bitte klügere Konzepte

Als Sprecher der NRW-Orchesterkonferenz hatte ich mich noch Anfang der Woche für mehr Publikum im Konzertsaal eingesetzt, weil die Schutzkonzepte in der Klassik-Szene einfach vorbildlich waren, von der Platz-Situation bis zur peniblen Kontaktverfolgung. Das Ziel, strengere Maßnahmen differenziert einzusetzen, ist mit der neuen Maßgabe nicht ideal umgesetzt. Wir sind hier ja nicht auf einer wilden Party.

Natürlich sind wir keine Pandemie-Experten, also setzt man die drastischen Maßnahmen wohl oder übel um. Aber ich wünsche mir dennoch, dass die Balance zwischen Vorsicht und Spielbetrieb optimiert wird: Wenn das jetzt im November gut läuft, sollten in vier Wochen wirklich kluge Konzepte bereitstehen. Die Sorge, dass wir über die lange Strecke einen Teil des Publikums verlieren, gibt es schon. Und im speziellen Fall von Bochum tut es mir auch ein bisschen leid um Steven Sloane. Seine Abschiedssaison sollte viele besondere Konzerte umfassen. Ich hoffe, nicht alles wird der Pandemie zum Opfer fallen.


Der Cellist Steffen Schrank ist seit 1991 Mitglied der Bochumer Symphoniker.

Glaube an eine Zukunft des Kinos

Der Lockdown ist natürlich sehr ärgerlich, weil er eine Branche trifft, die schon seit Monaten sehr erfolgreich Hygiene-Konzepte umsetzt. Wir haben in unseren Kinos zum Beispiel eine 100-prozentige Frischluftzufuhr, wir haben die strengen Abstandsregeln sogar noch gewahrt, als es im Sommer schon wieder Lockerungen gab. Der temporäre Shutdown der kompletten Kulturangebote hat natürlich damit zu tun, dass man die Leute unbedingt dazu bewegen will, zu Hause zu bleiben. Die Kinos stehen jedenfalls vor großen Herausforderungen, auch wegen der sich verändernden Filmindustrie. Trotz aktuell widriger Umstände glaube ich jedoch weiterhin an eine Zukunft des Kinos als Erlebnisort und sozialer Treffpunkt, wenn auch unter anderen Bedingungen als bisher.


Stephan Zabka arbeitet für die Kinos „Metropolis“, „Casablanca“ und Capitol in Bochum, die Schauburg und die Apollo Cinemas in Gelsenkirchen sowie das Central Kino Center in Dorsten.

Ein Fünkchen Hoffnung

In der Schließungs-Liste der Bundesregierung waren die Museen nicht dabei, wir sind ja keine Freizeiteinrichtungen. Deshalb haben wir jetzt, Donnerstagmittag, immer noch ein Fünkchen Hoffnung, verschont zu bleiben. Wir müssen eine Verordnung des Landes abwarten. Aber wieso wir, wenn wir keine Veranstaltungen und nicht einmal Führungen machen, unsicherer sein sollen als ein Möbelhaus, wäre mir ohnehin nicht erklärlich.


Peter Gorschlüter, Direktor des Essener Folkwang-Museums, Museum des Jahres 2019.

Die Frage ist: Wie geht es weiter?

In der Laienchorszene geht wieder alles auf Null, dabei waren wir ganz stolz, dass wir Abstandsregeln gefunden hatten, mit denen die Chöre in den Proben arbeiten konnten. Weihnachten kommt, dass jetzt der Versuch gemacht wird, die Virus-Welle im November zu stoppen, finde ich völlig richtig. Die Laienchorszene ist nicht so aufgewühlt wie die hauptberuflichen Künstler, deren Existenz daran hängt. Natürlich besteht die Sorge, dass viele Chöre, vor allem viele überalterte Männerchöre, nach Corona nicht mehr auf die Beine kommen. Aber wir arbeiten bereits an neuen Formaten, auch an Angeboten zum Singen im Alter. Die Frage ist: Wie geht es weiter? Und wie gehen wir mit den Chorleitern um? Wir haben als Chorverband allen Chören geraten, ihre Dirigenten weiter zu bezahlen. Das Land NRW hat uns die ganze Zeit sehr geholfen.


Regina van Dinther, Präsidentin Chorverband NRW





Umfrage: Jens Dirksen, Lars von der Gönna, Monika Wille
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