Essen/Düsseldorf. NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen will den Streit zwischen Düsseldorf und Essen um ein Bundes-Fotoinstitut beenden.
Die bedrückend gefährliche Lage für Kunst und Kunstschaffende in der Pandemie beherrscht auch die nordrhein-westfälische Kulturpolitik – und dann hält auch noch der Streit um die Ansiedlung eines Bundes-Fotoinstituts zwischen Düsseldorf und Essen an. NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) rief bereits am Donnerstag im Kulturausschuss des Landtags dazu auf, den Streit zu beenden – und betont im Gespräch mit Jens Dirksen, dass man die Ideen der Düsseldorfer Initiative um den Fotografen Andreas Gursky in ein Institut in Essen einbinden wolle.
Frau Ministerin, gelegentlich war in den vergangenen Monaten der Vorwurf zu hören, der Düsseldorfer Standort für ein Fotoinstitut des Bundes werde gar nicht ernsthaft geprüft.
Das war in der vom Bund beauftragten Machbarkeitsstudie sehr wohl der Fall und darauf haben wir auch sehr viel Wert gelegt. Beide Standorte, Essen wie Düsseldorf, sind dort nach denselben Kriterien geprüft worden. Die Studie ist da sehr in die Tiefe gegangen.
Bis hin zur ÖPNV-Anbindung, ja. Das wichtigste Argument gegen Düsseldorf war, dass dort ein zweiter Standort neben dem anvisierten am Ehrenhof-Gelände nötig gewesen wäre, was die Betriebskosten höher ausfallen ließe. Staatsministerin Monika Grütters hat gesagt: „Ich fühle mich zuallererst Essen und dem Ergebnis der Expertenempfehlung verpflichtet wie auch jetzt dem Standortgutachten. Anders könnte ich das Lockermachen größerer Summen gar nicht begründen. Ich versuche aber, die Düsseldorfer Initiativen auch mit einzubinden.“ Sehen Sie das auch so?
Ja. Ich bin absolut dafür zu versuchen, die Ideen aus Düsseldorf mit einzubinden.
Und wie soll das geschehen?
Das ist sicher sehr kompliziert, aber wirklich auch der Mühe wert. Dieses Ziel haben Frau Grütters und ich auch bei einem ausführlichen Gespräch mit Andreas Gursky noch vor Veröffentlichung der Machbarkeitsstudie thematisiert. Es soll jetzt noch mal ein Kreis von Fachleuten mit allen beteiligten Akteuren zusammenkommen, um nach einer Brücke zwischen beiden Ansätzen zu suchen. Herr Gursky steht geradezu exemplarisch für die Gegenwartsfotografie. Ihm geht es um technische Entwicklungen und Standards, beispielsweise um Qualitäten von Fotopapier und Chemikalien, etwa für Abzüge und Großformate auf Papier. Bei diesen Fragen gibt es in der Tat eine Menge Herausforderungen und Verbesserungspotenziale.
Zumal ja die Digitalisierung auch vor der Fotografie nicht haltmacht.
Aus meiner Sicht wäre ein bundesweites Foto-Institut auch genau der richtige Ort, um solche Fragen zu entwickeln und zu beantworten. Die Fragen der Gegenwartsfotografie und das Bundesinstitut miteinander zu verbinden, ist aller Mühe wert. Ein solches Institut hat darüber hinaus aber noch einen viel umfassenderen Auftrag, vergleichbar in etwa mit dem Deutschen Literaturarchiv in Marbach. Das ist absolut vorbildlich auch in der Beschäftigung mit technischen Problemen - und ein Arbeitsort für Wissenschaftler aus der ganzen Welt.
Wird es ein Trostpflaster für Düsseldorf geben?
Es sollte jetzt vor allem darum gehen, wie man die Ideen aus Düsseldorf mit aufgreifen kann. Eines will ich aber klar sagen: Es geht nicht darum, dass wir noch ein weiteres Museum gründen. Wir haben bereits großartige Orte für Fotografie-Ausstellungen, sowohl in Essen wie in Düsseldorf. Mit diesen Museen kann man wunderbar kooperieren, wenn es etwa darum geht, den Nachlass eines Fotografen oder einer Fotografin zu erschließen und daraus auch eine Ausstellung zu machen. Dafür müssen wir kein weiteres Museum bauen.
Die Landesregierung hatte für das Düsseldorfer Projekt eine Ko-Finanzierung zugesagt. Bleiben diese Gelder auch für Essen zugesagt? Braucht es dazu einen neuen Beschluss?
Wir als Land freuen uns sehr, dass das Deutsche Foto-Institut – oder wie auch immer es am Ende heißen mag – nach Nordrhein-Westfalen kommen soll. Jetzt gilt es aus meiner Sicht, zunächst die inhaltlichen und konzeptionellen Punkte zu klären, alles Weitere kommt danach. Aber natürlich werden sich Bundestag und Landtag später auch wieder mit der Finanzierung befassen müssen - allein schon, weil die veranschlagten Kosten mit inzwischen rund 125 Millionen Euro die ursprünglich zugesagten Mittel ja bei weitem übersteigen.
Apropos Geld: Gerade hat der Landtag die Fortsetzung des Stipendienprogramms für Künstler beschlossen. Da stehen jetzt noch einmal 90 Millionen Euro zur Verfügung. Wer kann so ein Stipendium über 6000 Euro beantragen – und ab wann?
Bis Künstler wieder Engagements bekommen, wird es absehbar ja noch eine Weile dauern, deshalb ist das Geld dringend nötig. Die Stipendien können ab dem 12. April beantragt werden. Das Programm steht grundsätzlich allen professionellen freischaffenden Künstlerinnen und Künstlern in Nordrhein-Westfalen offen.
Sie sprechen von Engagements, da geht es um Bühnenkünstler. Was ist mit den anderen?
Es können Künstler aller Sparten die Stipendien beantragen, auch solche, die schon in der ersten Runde ein Stipendium bekommen haben. Bei den 14.500 bewilligten Stipendien in der ersten Runde waren alle Sparten dabei: Bildende Kunst, darstellende Kunst, Film, Literatur und andere. Die Künstler müssen nachweisen, dass sie hauptberuflich von ihrer Kunst leben und mit ein paar Sätzen das Projekt schildern, für das sie ein Stipendium beantragen. Das ist wirklich unbürokratisch, das ist mir wichtig.
Bei Bundes-Programmen hat es Ärger mit Missbrauch gegeben, wie verhindern Sie den?
Man ist nie davor gefeit, dass sich jemand mit hoher krimineller Energie etwas ausdenkt. Aber die Bezirksregierungen, bei denen die Bewilligung liegt, kennen ihre Künstlerinnen und Künstler schon ganz gut; sie setzen ja auch unsere sonstigen Förderprogramme schon seit Jahren um. Bei Fällen, in denen sie Zweifel haben, fragen sie auch dezidiert nach. Und: Diejenigen, die in der ersten Runde ein Stipendium bekommen haben, müssen bis Ende Juni einen Bericht über ihr jeweiliges Projekt und die Ergebnisse abliefern.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz hat Anfang Dezember einen Rettungsschirm für Festivals angekündigt, daraus ist so wenig geworden, dass vor ein paar Tagen sieben große Festivals ihre 2021er-Ausgabe schon abgesagt haben. In NRW versuchen manche Festivals, ihren Termin auf August oder September zu schieben, in der Hoffnung auf ein weniger heftiges Infektionsgeschehen. Sie sind aber noch zögerlich, Verträge abzuschließen, weil sie fürchten, im Ernstfall auf den Kosten hängenzubleiben. Kann das Land hier nicht mit Ausfallbürgschaften oder Rettungsschirmen einspringen?
Wir hatten noch vor wenigen Tagen eine Runde mit den Veranstaltern großer Kulturfestivals, in der wir uns über das strategische Vorgehen ausgetauscht haben, damit im Fall von Verschiebungen nicht alle Festivals gleichzeitig stattfinden. Soweit ich weiß, gibt es nach wie vor Überlegungen beim Bund für einen solchen Rettungsschirm. Als Land verfolgen wir bei unseren Corona-Hilfen den Grundsatz, da auszuhelfen, wo der Bund nicht tätig wird.
Ihr Ministerium hat schon zu Beginn des zweiten Lockdowns eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich Gedanken über Öffnungsstrategien für die Kultur machen sollte. Was ist daraus eigentlich geworden?
Alle 16 Länder-Kulturminister hatten den Auftrag der Ministerpräsidenten und der Kanzlerin, so etwas zu entwickeln. Unser Drei-Stufen-Modell hat ja auch Eingang in die letzten Beschlüsse der Ministerpräsidentenkonferenz im Kanzleramt gefunden: Die Bildungseinrichtungen der Kultur zu öffnen, wenn auch die Schulen wieder öffnen; die Museen und Galerien dann zu öffnen, wenn auch der Einzelhandel wieder öffnen darf; und die Theater, Kinos und Konzertsäle dann zu öffnen, wenn auch die Gastronomie wieder öffnet.
Wobei bei den gegenwärtigen Inzidenz-Zahlen ja zu befürchten ist, dass die Museen bald wieder schließen müssen, oder?
Ich will zunächst einmal festhalten, dass die Museen die Wieder-Öffnung sehr gut und verantwortungsvoll organisiert haben, wenn man etwa bedenkt, dass in dem großen Kölner Museum Ludwig nur 73 Besucher gleichzeitig sein dürfen.
Also keine Schließungen?
Ich weiß es ehrlich nicht. Ich bin sehr vorsichtig geworden, was Prognosen angeht, aber bei Museen gibt es eigentlich keinen Anlass. Die große Frage bei der nächsten Runde im Kanzleramt am Montag wird eher sein, ob es eine nächste Öffnungsstufe gibt. Die Öffnung der Museen hat ja ein sehr erfreuliches Echo in der Bevölkerung gefunden. Das hat mich wahnsinnig gefreut für die Häuser, welch große Nachfrage es da gibt, weil es ja auch für sie eine sehr schwere Zeit war.
Und die Theater?
Da haben wir als Ministerium schon vor Weihnachten eine Lüftungsstudie bei der Deutschen Theatertechnischen Gesellschaft in Auftrag gegeben. Die ist so gut wie fertig. Darin werden 27 Häuser mit über 100 Spielstätten, von Proberäumen über die große Bühne bis zum Foyer, nach der Belüftungs-Sicherheit unter Corona-Bedingungen bewertet. Jedes dieser 27 Häuser bekommt in Kürze seine Bewertung.
Gibt es schon Ergebnisse?
Ein erster Überblick hat ergeben, dass mehr als 80 Prozent der Häuser für die pandemischen Anforderungen gut gerüstet sind, aber in anderen gibt es noch Defizite. Nun gibt es zwar vom Bund ein 500-Millionen-Programm für bessere Belüftung, aber das zielt leider nur auf die Auswechselung und Verbesserung von Filtern. Wenn aber eine Lüftungsanlage in einem Theater über 25 Jahre alt ist, hilft das nicht mehr viel – da wäre es sinnvoll, eine neue Anlage zu installieren. Dafür wollen wir jetzt noch mal einen Schritt auf das Bundeswirtschaftsministerium zugehen, dessen Gelder meines Wissens auch längst noch nicht abgerufen sind.