Essen. Tom Hanks in der Hauptrolle und Helena Zengel an seiner Seite machen den ungewöhnlichen Western „Neues aus der Welt“ zu einem ungewöhnlichen Film.

Auch eine Premiere: Ein großer fürs große Kino gedrehter Film, der jetzt zuerst bei einem Streaming-Dienst wie Netflix über kleine und kleinste Bildschirm-Formate flimmert. Doch dem Wort folgend, dass es einem guten Film egal sein kann, wo er läuft, ist der Western „Neues aus der Welt“ ein Film wie ein Naturereignis. Oscar-reif spielt, neben Tom Hanks, der deutsche Nachwuchsstar Helena Zengel. Die Zwölfjährige ist bekanntlich bereits als beste Nebendarstellerin beim „Golden Globe“ nominiert.

Zengel selbst ist ein Naturereignis, für Hanks der seltene Fall einer geborenen Schauspielerin. Bereits mit zehn Jahren stellte sie unfassbar fulminant das extrem aggressive, dauerhaft verhaltensauffällige Kind in Nora Fingscheidts Filmdrama „Systemsprenger“ dar, was ihr die Nominierung für die auf den 28. Februar verschobene „Globe“-Verleihung einbrachte. Eine Woche zuvor (und somit noch vor der DVD-Veröffentlichung) läuft der deutsche Überraschungsfilm von 2019 dann ebenfalls bei Netflix.

Debüt im „Spreewaldkrimi“

Bereits mit fünf Jahren hatte Helena Zengel ihr Drehdebüt in einem ZDF-„Spreewaldkrimi“. Jetzt ist sie im Wilden Westen angekommen, gleichzeitig als von Indianern zum Waisenkind gemachte Johanna Leonberger und als Zikade, die Tochter ihrer Kiowa-Eltern Wasserkehre und Dreipunkt. Wieder überzeugt die kindliche Urgewalt in jeder Szene, und das eben nicht als süße kleine blonde Berlinerin.

Fast in jeder Szene ist auch zu sehen, dass „News of the World“ (der Originaltitel verliert in der Übersetzung etwas von seinem Pathos) in den Weiten New Mexicos 53 Tage lang für die Kinoleinwand gedreht wurde. Aufnahmen wie die Rinderherde aus der Vogelperspektive sparen sich Netflix-Produktionen üblicherweise. Üblicherweise erreichen Streaming-finanzierte Filme auch nur gehobenes Mainstream-Ni­veau, so wie erst vor wenigen Wochen der teuer gemachte, am Ende jedoch enttäuschende Netflix-Film von und mit George Clooney, das Endzeit-Weltraumabenteuer „The Midnight Sky“.

Ritt in den Sonnenuntergang

Paul Greengrass hatte 2013 höhere Regie-Qualitäten bewiesen mit dem Entführungsdrama um somalische Piraten, Tom Hanks war der titelgebende „Captain Phillips“. Jetzt ist der 64-Jährige Captain Kidd – fünf Jahre nach dem Ende des US-amerikanischen Bürgerkriegs ein Ex-Soldat mit Narben auf der Haut und Wunden auf der Seele. Der vormalige Verleger hat alles verloren, nur seinen Glauben an die Wahrheit nicht. Er zieht als Vorleser aus Zeitungen durch Texas – Eintritt zehn Cent. Zufällig gabelt er das von Indianern großgezogene Mädchen auf, eher wider Willen übernimmt er die Aufgabe, es quer durchs Land zu den letzten Leonbergern zu bringen.

Der folgende Zug der beiden lässt nichts aus dem Genre aus, ohne in den Spätwestern abzurutschen wie etwa „Open Range“ (2003) von Kevin Costner. In „News of The World“ geht es um eine gespaltene Nation, Rassismus, Naturzerstörung und Fake News – die Parallelen zu den USA am Ende der Trump-Zeit sind offensichtlich.

Tom Hanks und Helena Zengel rühren mehr als einmal

Greengrass verdanken wir das spannendste ungleiche Duell seit der Bahnhofsszene in „Spiel mir das Lied vom Tod“, Hanks und Zengel hingegen ein Schauspiel-Duett, das mehr als einmal rührt. Großes Kino, wenn sich der Zug der letzten Indianer ihres Stamms im Nichts langsam auflöst, und die Musik trägt ihren Teil dazu bei. Und? Reiten der Captain & Johanna The Kid nach zwei Stunden gemeinsam in den Sonnenuntergang? Irgendwie: ja.

Und: Ist eigentlich die Pay-Cinema-Premiere schon erfunden?

Helena Zengel im Interview

Wie es war, auf Englisch zu arbeiten, ob ihr das Leben als Schauspielerin gefällt – und wie sie das Corona-Jahr erlebt hat: Helena Zengel im Interview.

Helena, wie einfach war für Dich die Arbeit auf Englisch?

Helena Zengel: Ich war zuerst noch nicht so gut in Englisch. Aber ich habe es tatsächlich dadurch, dass ich eben immerzu mit Englisch konfrontiert war, gelernt. Wir haben englische Serien geschaut, damit mein Kopf auf Englisch denkt. Und nach zwei oder drei Wochen habe ich dann auch nur noch Englisch geträumt.

Dass der Film nur auf Netflix läuft, hat Dich enttäuscht. Wie war das Corona-Jahr sonst für Dich?

Corona hat einem schon ziemlich viel genommen. Man konnte seine Freunde nicht sehen, seine Familie. Es war schon ein ziemlich doofes Jahr.

Hat Dir Tom Hanks etwas über das Schauspieler-Leben erzählt?

Ja, natürlich war es auch Thema, wie er so lebt und wie er das so macht. Wenn du mit ihm unterwegs bist, merkst du schon, dass die Leute die ganze Zeit gucken. Du kannst halt nicht irgendwo hingehen, ohne dass du dich beobachtet, angeschaut, fotografiert fühlst oder irgendjemand die ganze Zeit zu dir rennt und fragt: Kann ich ein Foto? Kann ich ein Autogramm?

Wie ist das für Dich?

Für mich ist es schön. Ich genieße das eigentlich sehr. Ich freu mich auch immer, wenn Fans kommen und fragen, ob wir ein Foto machen können. Ich hab ja auch Idole. Ich kann es total verstehen, dass man hinläuft. Und von daher schreckt es mich nicht ab. Aber ich glaube, es ist schon manchmal nicht so leicht, wenn du wirklich so ein richtiger großer Schauspieler bist.

Warum? Worauf muss man dann achten?

Du musst immer aufpassen, was du sagst und machst. Weil es halt immer sehr viele Menschen mitbekommen. Du musst schon ein bisschen kontrollierter leben. Aber ich glaube, es ist trotzdem ein sehr schönes Leben. Man hat einen Job, den man sehr, sehr liebt. Und man hat alles, was man braucht.

dpa