Essen. Jeder auf seine Weise ein Star seine Generation: Nun folgt auf Podcasts von Benjamin von Stuckrad-Barre und Martin Suter ein gemeinsames Buch.
Die erste Begegnung der beiden fand in Badehose statt, an einem Augusttag an der Ostsee: die eine Badehose war grellorange, die andere türkis mit pinkfarbenen Flamingos. Das ist natürlich besonders lustig, weil diese Schriftsteller durch notorisches Anzugtragen von sich reden und schreiben gemacht haben, wobei sie eben dieses Schreiben geißeln: Dass es Journalisten immer um Äußerlichkeiten gehen muss! „Ich finde das sehr oberflächlich“, sagt also der Benjamin zu seinem Badehosen-Anzug-Freund Martin, „dass die dich oberflächlich finden.“
Martin Suter, 72-jähriger Bestseller-Autor, Ex-Werbetexter, Schweizer Weltenbummler. Benjamin von Stuckrad-Barre, 45 Jahre alt, Ex-Popliterat, ehemals kokainsüchtig, heute erfolgreicher Moderator und Autor. Treffen sich also zwei ziemlich bekannte Gestalten der deutschsprachigen Literaturszene am Ostseestrand – und machen fortan Witze in Form von Podcasts. Die nun als Buch vorliegen: „Alle sind so ernst geworden“!
Feine Flachserei in Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barres Buch „Alle sind so ernst geworden“
Natürlich: In diesen Plaudereien liefert der Jüngere vor allem Stichworte für den Älteren, zeigt sich Stuckrad-Barre zugewandt, interessiert, nahezu bewundernd, während Suter eher den entspannt-zurückgelehnten weisen Mann gibt.
Ebenso natürlich sind keine tiefschürfenden Erkenntnisse zu erwarten, aber doch aufgekratzt Erheiterndes – und erstaunliche Ehrlichkeit. Martin Suter etwa hat auch „als kleiner Junge Anzug getragen“, erfahren wird da: „Da kam eine Schneiderin zu uns. Die hat in einer Mansarde kleine Anzüglein genäht für mich.“ Stuckrad-Barre findet sich auf Fotos stets zu dick, Martin Suter wiederum „neigt zu Buckligkeit“. Und beide zeigen sich auf je eigene Weise bedürftig, verletzlich, was sich nicht nur am immer wiederkehrenden Geläster über mediale Entgleisungen (Suter als „passionierten Hobbykoch“ zu bezeichnen etwa), sondern auch in ironischen Offenbarungen niederschlägt:
„Stuckrad-Barre: Ich wollte Zuspruch. Ich wollte Liebe.
Suter: Du wolltest höfliche Lügen hören.
Stuckrad-Barre: Zur Not auch, klar, nehme ich alles!“
Es geht um Drogen, um pubertierende Mädchen und Glitzer, um erste Jobs, die titelgebende, bedauerliche Ernsthaftigkeit der Welt und um Ibiza: Hier ist Stuckrad-Barre mal von einer Frau verlassen worden, trauriges Symbol dieses Vorganges: Sie hat die Ladestation für ihre elektrische Zahnbürste bei ihm gelassen.
Sein Freund Martin Suter versteht die Tragödie sofort: „Das heißt, als die Batterie ihrer Zahnbürste dann irgendwann leer war, musste sie wohl eine alte Zahnbürste benutzen. Und du warst nicht mehr dabei.“ Der Lauf der Welt, treffend auf den Punkt gebracht: Dieses Büchlein versprüht in seinen besten Momenten tatsächlich erfrischende Leichtigkeit.
Martin Suter & Benjamin von Stuckrad-Barre: Alle sind so ernst geworden. Diogenes, 272 S., 22 €