essen. . 250 Leute singen „Lemon Tree“, obwohl sie gar nicht nebenan beim Konzert von Fools Garden sind. Was ist da los? „Stuckimann“ liest und dirigiert.

Es ist eine Art Fools Garden, in dem Benjamin von Stuckrad-Barre ein neuer Mensch zu werden versucht. Jahrelang hat der in den 90ern gefeierte Popliterat vor allem von Koks und Alkohol gelebt, ehe er sich eine Auszeit an der Sonne gönnt. Kann sein, dass es bessere Entzugskliniken als das „Chateau Marmont“ in LA mit den rauschenden Partys seiner Hollywood-Promis gibt, doch „Stuckimann“ kommt ausgerechnet hier – im Garten des mondänen Anwesens – ein wenig zur Ruhe.

Nicht deshalb aber ist der beste Freund von Altrocker Udo Lindenberg so froh, dass nebenan die Band Fools Garden spielt, als er selbst am Mittwochabend in der Zeche Carl sein aktuelles Buch „Remix 3“ live vorstellt. Die Jungs aus dem Schwäbischen, vor allem oder einzig allein wegen ihrer so zeit- wie belanglosen Popnummer „Lemon Tree“ bekannt spielen ab halb zehn in der Kaue, Stuckrad-Barre beginnt eine Stunde früher. Er ist ja nicht nur ein Meister der Worte, sondern auf der Bühne auch ein begnadeter Entertainer, der die 250 Leute in der ausverkauften Festhalle gleich zum Countdown bittet. Alle sollen ihre Handys zücken und den Wecker auf 21.30 Uhr stellen, dann wird gemeinsam gesungen: „Lemon Tree“.

Eine schöne Idee, denn sonst könnte eine reine Lesung selbst von einem Geschichtenerzähler wie Stuckrad-Barre vielleicht eintönig werden. So eintönig wie Gespräche mit Freunden und Bekannten, die mit ihm ausgehen wollen, doch weil der seit 2006 streng abstinent lebende Ex-Junkie keinen Tropfen Alkohol mehr trinkt, prickelt nur sein Wässerchen und nicht der übliche Trashtalk am Tresen.

Tattootipps von Heidi Klum

Steilvorlagen für seine Bücher bezieht der 43-Jährige inzwischen nicht mehr nur aus seinem Leben auf der kalifornischen Überholspur, wo Smalltalk mit Quentin Tarantino, ein Flirt mit der Schwester von Lana del Rey und Tattootipps von Heidi Klum zum Abendprogramm gehören, sondern auch: zu Hause von seinem kleinen Sohn. „Ich mach dann mal weiter“, sagt der nach ein paar Wortwechseln, als Papa von unterwegs aus anruft.

Stuckrad-Barre macht dann auch mal weiter, er schreibt, liest und unterhält wie kaum ein anderer deutscher Autor. Zur Belohnung gibt’s dafür ein schönes Selters - und die Zuneigung seiner Fans.