Essen/Düsseldorf. NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen bedauert, die Kulturszene vor einem „Extrawurst“-Status gewarnt zu haben.
Empörung machte sich breit, nachdem NRW-Kultur- und Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) im Kulturausschuss des Landtages gemahnt hatte: „Die Kultur muss aufpassen, dass sie nicht immer eine Extrawurst brät.“ Im Gespräch mit Jens Dirksen versucht die Ministerin, ihre Wortwahl zu ändern – ohne in der Sache Abstriche zu machen.
Frau Ministerin, das mit der „Extrawurst“ hat nicht allen gefallen…
Das stimmt und das verstehe ich auch. Mir haben einige Künstlerinnen und Künstler geschrieben und Kritik geäußert. Meine Wortwahl war sicherlich unglücklich, der Begriff hat manche offenbar sehr getroffen. Ich wollte niemanden verletzen, glauben Sie mir. Ich würde den Begriff nicht noch einmal verwenden.
Das klingt nicht so, als hätten Sie Ihre Position zur Sache geändert.
Meine Aussage war Teil einer umfangreichen Diskussion im Kulturausschuss des Landtages über die aktuelle Lage der Kultur und auch darüber, dass sich die Kultur differenziertere Regelungen wünscht, was die Öffnung von Museen, Theatern, Konzerthäusern oder Kinos angeht. Mir ist vollkommen klar, wie schwierig die Situation für Kulturschaffende derzeit ist, materiell wie auch von der Gefühlslage, wenn man zwar proben, aber nicht auftreten kann. Wirtschaftlich haben wir als Land schon einiges getan, um die Auswirkungen der Pandemie für die Kultur abzumildern: Wir haben 14.500 Stipendien für freie Künstlerinnen und Künstler ausgegeben – und zwar so, dass das Geld schnell bei den Betroffenen angekommen ist und sie Planungssicherheit bis Anfang 2021 haben. Die Kultureinrichtungen unterstützen wir mit weiteren 80 Millionen Euro. Für den November gibt es jetzt zusätzlich die Hilfe vom Bund, für die wir als Kulturminister uns sehr bei der Bundesregierung eingesetzt haben, damit auch die Solo-Selbstständigen aus der Kultur mit bedacht werden.
Aber?
Das alles ändert nichts an der sehr, sehr schwierigen, ja dramatischen Situation, in der wir uns befinden, was die Infektionszahlen angeht. Und nicht nur die sind doch anhaltend auf einem hohen Stand, auch die Zahl der Toten steigt in erschreckendem Maße an. Ich habe heute Morgen wieder auf die Karte mit den Infektionszahlen geblickt, da ist ganz NRW rot, zum Teil tiefrot. Ich bin ja neben der Kultur für die Wissenschaft zuständig – also auch für die Unikliniken. Und da füllen sich die Intensivstationen gerade leider rasant.
Aber doch nicht mit Menschen, die sich im Museum oder im Theater angesteckt hätten, oder?
Ich weiß, wie gewissenhaft und penibel sich gerade Kultur-Einrichtungen an die Vorschriften gehalten haben. Wenn alle Bereiche so verantwortungsvoll gehandelt hätten wie die Kultur, wären wir nicht in einer so ernsten Lage. Aber im Moment können wir leider 75 Prozent des Infektionsgeschehens gar nicht mehr nachvollziehen. Und da können wir doch nicht automatisch davon ausgehen, dass in Kultureinrichtungen überhaupt keine Infektionen passiert sind. In dieser Situation können Kulturbetriebe keine Sonderrolle für sich beanspruchen. Die Bundeskanzlerin und die Ministerpräsidenten haben in ihren Beschlüssen für den November zwei Bereiche ausgenommen, das ist die Wirtschaft und das sind Schulen und Kitas. Wir können die Entscheidung für richtig oder falsch halten, aber sie ist gefallen.
Die Maßnahmen sollten die Infektions-Welle brechen, aber bislang steigen die Zahlen immer noch. Wir müssen uns vielleicht darauf gefasst machen, dass die Einschränkungen noch länger anhalten werden – man wird den Lockdown doch nicht monatelang andauern lassen können.
Natürlich hoffen wir, dass die Zahlen bis Dezember besser werden. Wir haben im Ministerium eine erste Arbeitsgruppe mit Theatern und Konzerthäusern gebildet, die sich jetzt schon eine Menge Gedanken darüber macht, wie erste und weitere Schritte einer Wieder-Öffnung aussehen könnten. Auch mit den Museen werden wir sprechen. Aber Sie müssen bedenken, dass alle Vorschläge, die entwickelt werden, in die Infektionsschutz-Verordnungen des Landes-Gesundheitsministeriums einzuarbeiten sind. Wir haben einen sehr tatkräftigen Gesundheitsminister. Der sagt aber auch, dass er das am Ende verantworten können muss.