Essen. Private Biografien speisen den Film „The King of Staten Island“. Das Werk, das auch über die langen Schatten von 9/11 erzählt, kommt ins Kino.
Es ist nur ein Spiel, aber eins mit dem höchstmöglichen Einsatz. Scott schließt nicht einfach seine Augen, er presst sie zu und tritt das Gaspedal seines Autos durch. Eine ganz gewöhnliche Fahrt auf einem Highway in Staten Island wird so zur Schussfahrt in die Dunkelheit.
Als der 24-Jährige schließlich wieder seine Augen öffnet, ist es fast zu spät. Vor ihm stauen sich aufgrund eines Unfalls Fahrzeuge. Im letzten Moment kann Scott das Lenkrad herumreißen und so an den anderen Wagen vorbeischießen. Nur touchiert er bei dem Manöver ein Auto und löst einen weiteren Unfall aus. Er beobachtet ihn noch im Rückspiegel und rast dann, eine Entschuldigung murmelnd, davon.
Judd Apatows Tragikomödie „The King of Staten Island“ lebt von Pete Davidsons authentischem Auftreten
Diese ersten Augenblicke von Judd Apatows Tragikomödie „The King of Staten Island“ fügen sich nicht so recht in die weitere Erzählung. Man ist nicht einmal sicher, ob dieses Spiel mit dem eigenen wie mit anderen Leben nur ein Traum war. Zumindest hat der Unfall keinerlei Folgen für Scott (Pete Davidson) und wird auch nie wieder erwähnt. Dennoch prägt er den Film mehr als alles andere.
Scott, der seinen Vater, einen Feuerwehrmann, verloren hat, als er sieben Jahre alt war, lebt sein ganzes Leben wie diesen Moment auf der Autobahn. Mit geschlossenen Augen lässt er sich ohne Rücksicht auf Verluste in das seelische Dunkel fallen, das ihn umgibt. Nach Außen hin gibt er sich, als wäre ihm wirklich alles gleich. Die Schule hat er abgebrochen. Meistens hängt er einfach mit seinen Freunden herum, nimmt Drogen und macht Scherze. Erst als sich seine Mutter Margie (Marisa Tomei) in Ray (Bill Burr) verliebt, ausgerechnet wieder ein Feuerwehrmann, muss sich Scott seiner Vergangenheit und seinen Dämonen stellen.
Das Drehbuch zu „The King of Staten Island“, das Apatow zusammen mit seinem Hauptdarsteller geschrieben hat, basiert lose auf dessen eigener Lebensgeschichte. Der durch die Comedy-Show „Saturday Night Live“ bekannt gewordene Davidson ist auch in dem New Yorker Stadtteil Staten Island aufgewachsen und hat wie Scott als Siebenjähriger seinen Vater verloren. Der Feuerwehrmann war ein Opfer vom 11. September 2001. Und wie sein filmisches Alter Ego stürzte dieser frühe Verlust auch Davidson in Depressionen. Allerdings hat er viel schneller Wege gefunden, mit seinen Seelen-Wunden umzugehen.
Kehre zum Konventionellen: Am Ende sucht der Film nach mehr Harmonie als er gebraucht hätte
Dazu gehört auch dieser Film. Davidsons Spiel wirkt letztlich nie wie klassisches Schauspiel. Er geht in seiner Rolle absolut auf. Bei jeder von Scotts spöttischen Bemerkungen spürt man, wie er sich hinter seinen Worten versteckt. Letztlich will er nicht nur die anderen davon überzeugen, dass alles mit ihm in Ordnung ist. Er will es sich so selbst beweisen und muss damit scheitern.
Gerade im letzten Drittel nimmt der Film, wie so oft bei Judd Apatow, eine Kehre zum Konventionellen. Der entspannte, Tragisches und Komisches geschickt verbindende Tonfall des Drehbuchs weicht einem Hollywood-typischen Optimismus, der in einem simplen Happy Ending gipfelt. Aber Davidson gelingt es durch sein authentisches Auftreten, das offensichtlich auch die übrige Besetzung inspiriert, die Wendung ins Süßliche ein wenig abzufangen. Diese Woche kommt er ins Kino.