Herne. Triumph für Martin Stadtfeld. Sein Beethoven-Programm wurde zum Finale des Klavierfestivals Ruhr vom Publikum gefeiert.
Am Freitag Abend ging das Klavierfestival Ruhr zu Ende. Wer hätte vor drei Monaten gedacht, dass es 2020 überhaupt beginnt? Aber Intendant Franz Xaver Ohnesorg klopfte bei der Politik an – und tatsächlich wurde ihm aufgetan.
Natürlich geschah das verschlankt: die Säle luftig reduziert, die Konzerte pausenlos, der gesellschaftliche Charme unterkühlt. Aber so what? Es ging weiter! Hunderte Klassikfreunde, musisch ausgehungert nicht wenige von ihnen, durften wieder kommen und hören. Die Bilanz dieses Festival-Jahrgangs wird man nicht in Besucherzahlen messen, sondern in der Leistung, gerade im Beethoven-Jahr den Glauben an das Live-Erlebnis in Zeiten der Pandemie nicht aufgegeben zu haben.
Am Freitag gab es ein reines Beethoven-Programm zum Finale des Klavierfestivals, mit Martin Stadtfeld
Zum Finale am Freitag lud ein treuer Gast des weltweit größten Pianistentreffens, freilich erstmals in seiner Wahlheimat Herne. Martin Stadtfeld bürgte für einen raffinierten Schlussakkord. Der Pianist hat sich – vom Radiomoderator bis zum Klassikbotschafter in Schulen – bekanntlich in vielen Extra-Disziplinen profiliert. Dass er auch ein cleverer Dramaturg wäre, bewies er mit seinem reinen Beethoven-Programm. Stadtfelds Bezüge haben viel Raffinesse. Viel Frühwerk mit noch mehr Aussicht aufs Gesamtschaffen: Beethovens erste Sonate teilt mit der jeweils am Ende des zweifach ausverkauften Doppelabends ausgespielten Trumpfkarten „Appassionata“ die Tonart f-Moll. Wie der Bonner schon in seinen Zwanzigern eine (überkommene) Musikwelt mit seinem „Es muss sein“ vor sich her treibt, das arbeitet Martin Stadtfeld im stürmenden Prestissimo so plastisch heraus, wie er wenig später - ohne falsches Pathos aber nachgerade mikroskopisch auskostend – das Largo appassionato der zweiten Sonate zelebriert.
Martin Stadtfeld wählte ein ungewöhnliches Format, spielte aus Sonaten herausgenommene einzelne Sätze, gestaltete das Finale durchgehend als Moderationskonzert. Wie man vom Schicksal des Spock-Darstellers Leonard Nimoy erzählen kann, um den Namensmythos der Mondscheinsonate zu enthüllen, auch das lässt sich von Stadtfeld lernen – um dann aber doch glücklich im Hören zu versinken. Das berühmte Adagio aus op. 27 geriet unter seinen Finger zur Seelen-Serenade – eine berückende Studie traumverlorener Melancholie.
Das begeisterte Publikum im Herner Kulturzentrum entlockte Stadtfeld zwei Zugaben
Jubel schließlich für eine Appassionata, der Stadtfeld schillernde Farben abgewann, stets die Architektur im klaren Blick. Nobles Legato und dramatisches Donnern in notwendiger Koexistenz. Raffiniert (einem Weckruf von der Ruhe zur Revolte gleich) geriet dem Pianisten das „attacca“ vom langsamen Satz zur Allegro-Fanfare. Poesie und Pranke zu vermählen, bleibt bei Beethoven alternativlos - nicht weniger als Stadtfelds hörbares Verständnis, dass Beethovens Gegensätze im Grunde permanent als Partner umeinander kreisen.
Zwei Zugaben belohnten den großen Applaus. Beides anrührend schöne Bearbeitungen von Händel-Arien. Auch hier regiert der Dramaturg Stadtfeld: Denn niemanden seiner Zunft bewunderte Beethoven mehr als den arbeitswütigen Sachsen.
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ES GEHT WEITER
Offiziell ging das Klavierfestival am Freitag zu Ende. Aber bald schon folgen zahlreiche Nachhol-Konzerte mit den Programmen, die den Aufführungsverboten am Anfang der Pandemie zum Opfer gefallen waren. Mehr Info: www.klavierfestival.de