Bochum. Jochen Malmsheimer setzt das Tresenlesen mit Frank Goosen im Straeming auf „Größen ausse Gegend“ fort – und bringt vier Programme auf DVD heraus.

Der Verbaltaifun unter den Kabarettliteraten Jochen Malmsheimer (58) leidet wie alle seiner Zunft unter der Corona-Flaute – und betont, dass seine neue DVD „Fast das Gesamtwerk“ lange in Planung war, bevor Corona den Horizont verdüsterte. Live-Gastspiele im Streaming, aus der Konserve oder als gefeierte Tresenlesen-Wiedervereinigung mit Frank Goosen – Jens Dirksen sprach mit ihm auch darüber.

Herr Malmsheimer, Sie wären heute eigentlich in Brackenheim gewesen, im Kulturspiegelzelt im Wiesenthal…

… das ist gut möglich…

… und übermorgen in der Kulturscheune Walstedde. Das ist jetzt alles perdu, abgesagt. Gibt’s auch Momente, in denen Sie froh sind, derzeit nicht auftreten zu müssen?

Ich fülle meinen Beruf mit Liebe aus, natürlich fehlt mir das. Auf der anderen Seite hab ich plötzlich – Zeit! Für Dinge, für die ich viele, viele Monate keine Zeit hatte, und das ist auch schön.

Sind da jetzt gleich drei neue Programme entstanden?

Nein, ich musste Bäume fällen, Zäune ziehen und reparieren. Ich habe nicht das Gefühl, dass ich eine Auszeit hätte, in der ich mal in Ruhe was schreiben kann. Ehe ich dazu komme, brauche ich eine gewisse Form von Seelenruhe. Und die habe ich gerade nicht.

Aber auch kein Publikum.

Na ja, Kollegen und ich finden ja so kleine Ventile, um ab und zu mal was zu machen, aber der direkte Kontakt mit dem Publikum fehlt mir sehr. Ich glaube, dass ein wesentlicher Teil dieser Kunstform die Nähe zum Publikum ist. Ich habe einen Großteil meiner Zeit vor Möbeln gespielt. Also vor Stühlen, auf denen niemand saß. Und als sich diese Stühle dann füllten, war das ein unglaubliches Glücksgefühl, und zwar nicht wegen der Börse, sondern wegen der Stimmung, die für mich sehr wichtig ist. Ich bin jemand, der da sehr empfindlich reagiert.

Mit den „Ventilen“ haben Sie gerade auf Ihre Streaming-Wiedervereinigung mit Frank Goosen zum Tresenlesen angespielt. Wäre das nicht doch ein Format für häufigere Auftritte?

Also mit Herrn Goosen kann ich immer. Wir werden es auch noch ein paarmal machen. Wir zeichnen heute Abend eine zweite Folge auf, ich weiß aber noch nicht, wann die auf dem Youtube-Kanal „Größen ausse Gegend“ gezeigt wird. Das Schöne ist ja, dass wir überlegt haben, was ist gut und schön in dieser Zeit, und es war richtig, nicht nur für uns, sondern auch für viele andere, das war besonders schön.

Wie ist es mit Auftritten im TV?

Ich habe Fernsehen immer in homöopathischen Dosen eingenommen, ich glaube, dass das Fernsehen und ich an zwei verschiedenen Strängen ziehen. Das Fernsehen hat keine Zeit und ist daran interessiert, wie etwas aussieht. Ich dagegen nehme mir die Zeit – und mir ist vollkommen egal, wie ich dabei aussehe, da können Sie jeden fragen.

Helge Schneider hat gesagt, er mache kein Streaming, kein Autokino, nichts vor Masken.

Nun ist er in der komfortablen Situation, das so verkünden zu können. Ich muss mir schon was überlegen, wie ich weiter den Kühlschrank vollkriege. Ich habe eine Familie, die ist mir sehr wichtig. Jetzt mache ich nichts, das ist ein Problem, auf lange Sicht. Die letzten Wochen bin ich noch gut rumgekommen, weil der Staat erstaunlich flexibel reagiert hat und mir meine Steuervorauszahlung zurückgegeben hat, da war ich ganz verblüfft. Aber ich habe das Gefühl, dass wir uns mit dem Coronavirus für längere Zeit arrangieren müssen, das ist keine Sommergrippe.

Liefert die Corona-Krise mit etlichen Symptomen nicht auch Steilvorlagen für komische Einfälle?

Ich persönlich habe das eher als hemmend empfunden und erlebe die Situation als äußerst bedrückend. Wie alles im Leben hat auch das eine komische Seite, aber ich kann nicht sagen, dass das im Moment sonderlich befruchtend ist, im Gegenteil.

Jochen Malmsheimer: Fast das Gesamtwerk. Tackerfilm. 2 DVD, Gesamtlänge: 420 min., ca. 25 Euro. Mit den Programmen „Wenn Worte reden könnten“, „Ich bin kein Tag für eine Nacht“, „Flieg Fisch, lies und gesunde!“ sowie „Ermpftschnuggn trødå – hinterm Staunen kauert die Frappanz!“